HIV-Infektionen: So niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr

Das HI-Virus wird in erster Linie durch Menschen übertragen, die ungeschützten Sex haben und von einer Infektion (noch) nichts wissen oder ahnen. – Foto: AdobeStock/Nomad_Soul
Beim Coronavirus dauerte es nur ein Jahr und drei Wochen zwischen der offiziellen Entdeckung der Krankheit und der Zulassung des ersten Impfstoffs in der EU. Gegen eine HIV-Infektion und die als Folge mögliche Immunschwäche-Krankheit AIDS dagegen existiert bis heute kein Impfstoff – obwohl sie bereits vor 41 Jahren entdeckt wurde. Trotzdem sind Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten inzwischen weit gediehen – und das schlägt sich auch in der Statistik nieder. Einem aktuellen Lagebild des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge liegt die Zahl der jährlichen Neu-Infektionen mit dem HI-Virus in Deutschland heute so niedrig wie zuletzt vor 20 Jahren.
Laut den anlässlich des Welt-AIDS-Tags am 1. Dezember herausgegeben Zahlen haben sich im Jahr 2021 geschätzt 1.800 Personen mit HIV infiziert, genauso viele wie im Vorjahr 2020. Damit liege „die Zahl der Neuinfektionen so niedrig wie zuletzt vor zwei Jahrzehnten“, heißt es in einer Mitteilung des RKI.
HIV-Infektionen: Auch ein Problem der Heterosexuellen
Die Trends in den drei am stärksten betroffenen Gruppen verlaufen unterschiedlich. Am stärksten betroffen sind nach wie vor Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) – bei allerdings fallender Tendenz. Die Zahl der geschätzten Neuinfektionen lag hier 2021 bei rund 1.000 – nach rund 1.100 im Jahr zuvor. Bei Personen mit einer Infektion auf heterosexuellem Weg liegt die Zahl mit 440 immerhin fast halb so hoch, auch wenn die Neuinfektionen in diesem Personenkreis seit einigen Jahren stagnieren. Beim Gebrauch intravenöser Drogen haben sich 2021 etwa 320 Menschen mit HIV infiziert, bei dieser Gruppe zeigt die Modellierung einen deutlichen Anstieg seit 2010 und eine Stabilisierung seit 2019.
RKI-Chef Wieler: „Fallzahlen sind immer noch zu hoch“
Trotz des jetzt registrierten Tiefstands bei den HIV-Neuinfektionen sieht RKI-Präsident Lothar Wieler noch immer keinen Grund, sich zurückzulehnen. „Unabhängig davon: diese Fallzahlen sind immer noch zu hoch, es bedarf weiterer Anstrengungen, vor allem um die zielgruppenspezifischen Testangebote und den Zugang zu Therapie und Prophylaxe zu verbessern“, sagte Wieler bei der Veröffentlichung des aktuellen Lageberichts.
Über 90.000 Deutsche sind aktuell HIV-infiziert
Die Gesamtzahl der Menschen in Deutschland mit HIV lag laut RKI Ende 2021 bei 90.800. Von diesen seien etwa 8.600 HIV-Infektionen noch nicht diagnostiziert. Daher seien leicht zugängliche Testangebote wichtig, Testbereitschaft und die Kenntnis von Infektionsrisiken. „HIV-Infektionen auf heterosexuellem Weg gibt es vor allem über sexuelle Kontakte zu Personen mit intravenösem Drogengebrauch, MSM und im Ausland mit HIV-infizierten Personen“, warnt das RKI.
Anti-AIDS-Medikamente können HI-Virus offenbar in Schach halten
Der Anteil der Menschen mit diagnostizierter HIV-Infektion, die eine antiretrovirale Therapie erhalten, liegt 2021 unverändert bei etwa 96 Prozent. „Bei fast allen Behandelten ist die Behandlung erfolgreich, so dass sie nicht mehr infektiös sind“, berichtet das RKI. Etwa ein Drittel aller neudiagnostizierten HIV-Infektionen wurde demnach 2021 erst mit einem fortgeschrittenen Immundefekt diagnostiziert, fast jede fünfte Infektion sogar erst mit dem Vollbild AIDS.
Übertragung meist durch Menschen, die von ihrer HIV-Infektion nichts wissen
„HIV wird in erster Linie durch Menschen übertragen, deren HIV-Infektion noch nicht diagnostiziert wurde“, heißt es beim RKI. „Zudem ist bei Spätdiagnosen die Sterblichkeit höher. Kondome zu benutzen bleibt ein Grundpfeiler der Prävention von HIV und weiteren sexuell übertragbaren Erreger.“
PrEP: Neuer medikamentöser Schutz vor Ansteckung
Mit der Präexpositionsprophylaxe (PrEP) steht ein relativ neues zusätzliches Instrument zur Verhinderung von Infektionen zur Verfügung. Seit September 2019 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Menschen mit substanziellem HIV-Risiko. Der Einfluss der PrEP auf das Infektionsgeschehen kann aufgrund der Veränderungen des Sexual- und Testverhaltens im Kontext der Covid-19-Pandemie laut RKI allerdings nicht verlässlich eingeschätzt werden. Der Rückgang von HIV-Neudiagnosen und der geschätzte Rückgang von Neuinfektionen seit 2019 deuteten aber auf eine Verhinderung von Neuinfektionen durch PrEP-Gebrauch hin.