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Haushalt: Dreimal so viele Unfalltote wie im Straßenverkehr

Sonntag, 6. Dezember 2020 – Autor:
Fast 12.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich durch Haushaltsunfälle. Das ist fast die Hälfte aller Unfalltoten im Jahr. Hauptunfallursache im Privatbereich sind nach wie vor Stürze, besonders gefährdet sind Senioren. Hierauf weist die Aktion „Das Sichere Haus“ hin und gibt Tipps, um Unfallquellen zu identifizieren – und zu entschärfen.
Alte Frau mit Stock geht glatte Holztreppe runter.

Harmloser Schauplatz, dramatische Ereignisse: Im Haushalt ereignen sich im Lauf eines Jahres mehr tödliche Unfälle als auf Deutschlands Straßen oder Autobahnen. – Foto: ©and.one - stock.adobe.com

Fast 12.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich durch Haushaltsunfälle. Das ist fast die Hälfte aller Unfalltoten, die jährlich insgesamt zu beklagen sind. Und es sind mehr als dreimal so viele Tote wie im Straßenverkehr: Hier kamen zuletzt 3.420 Menschen ums Leben kamen. Das ergibt eine Auswertung der aktuellen Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamts durch die Aktion „Das sichere Haus“ (DSH). Die Zahlen dafür stammen aus dem Jahr 2018. Hauptunfallursache im Privatbereich sind nach wie vor Stürze. Die Gefahr dafür beginnt bereits im Alter von Mitte 50 zu steigen; am stärksten betroffen sind aber die über 85-Jährigen. Andere Unfallarten wie Ertrinken, Vergiftungen oder Stromschläge spielen laut DSH dagegen kaum eine Rolle.

Sieben Millionen Unfälle in Haus und Freizeit – 11.960 sind tödlich

Insgesamt verunglücken pro Jahr in Deutschland rund sieben Millionen Menschen bei Betätigungen zu Hause und in der Freizeit. Im aktuellsten Statistikjahr 2018 sind genau 11.960 Menschen in diesem Lebensbereich tödlich verunglückt. Das sind 44 Prozent aller 27.172 Unfalltoten in Deutschland. Davon betroffen ist besonders die Bevölkerungsgruppe der Senioren.

„Im Zuge des Alterungsprozesses lassen Muskelkraft und Balancegefühl nach. Dadurch steigt die Gefahr zu stürzen“, sagt DSH-Geschäftsführerin Susanne Woelk. „Brüche der Hüfte oder des Oberschenkelhalses sind häufige Folgen dieser Stürze, weil die Knochen durch Osteoporose brüchiger und poröser geworden sind." Gegen die erhöhte Sturzgefahr im Alter empfiehlt die Aktion DSH deshalb als scheinbar banales, aber offenbar wirksames Mittel gezieltes Krafttraining, vor allem der Oberarm- und Oberschenkelmuskulatur. Ziel ist die Erhaltung beziehungsweise Wiederhersellung von körperlicher Kraft und Balance.

Die vermeintlich sicheren eigenen vier Wände bergen besonders für Senioren zahlreiche Sturzgefahren, warnt die Aktion Das Sichere Haus. „Dabei können schon kleine Verbesserungen viel bewirken, zum Beispiel eine gute Ausleuchtung der Wege drinnen und draußen.“ Damit möglichst keine Unfälle geschehen, hat die DSH Unfallquellen in Haus und Wohnung ermittelt und gibt Tipps zur Prävention von Stürzen durch sicherheitsbewusstes Verhalten oder die Entfernung von Stolperfallen:

Gefahrenquelle Nummer 1: Schlechte Beleuchtung

Wer seinen Innen- und Außenbereich flächendeckend beleuchtet, übersieht Stolperfallen nicht und kann so Stürze vermeiden. Wichtig ist genügend Helligkeit im Flur, im Treppenhaus und an der Haustür. Viele übersehen gerne den Außenbereich: Wege von der Haustür zur Garage, zur Mülltonne oder zum Gartentor sollten ausreichend beleuchtet sein. Um so sicher wie energiesparend für Ausleuchtung zu sorgen, eignet sich eine Beleuchtung, die durch Bewegungsmelder aktiviert wird.

Sinnvoll ist es auch, auf Blendfreiheit zu achten, etwa durch die Installation von Lampen mit nach unten gerichtetem Licht. Von blendenden Lichtquellen wendet man sich ab, außerdem schwächen sie das natürliche nächtliche Sehvermögen, das auf zweierlei Arten funktioniert: Erstens durch den Pupillenreflex mit weit geöffneter Pupille im vorderen Bereich des menschlichen Auges. Zweitens durch die sogenannte Hell-Dunkel-Adaption, bei dem die Ausstattung der Netzhaut mit Bildpunkten eine Rolle spielt: Bei schlechten Lichtverhältnissen schaltet das menschliche Auge von Zapfensehen auf Stäbchensehen um, denn diese sind lichtempfindlicher.

Gefahrenquelle Nummer 2: Treppen

Ein Sturz von der Treppe kann zu schweren Verletzungen führen, die nur langsam heilen. Schon einfache Mittel wie Antirutschstreifen zum Aufkleben auf den Stufen oder eine gute Beleuchtung wirken Wunder. Aufwändiger, aber lohnend ist ein zweites Geländer an der Wandseite. Hilfreich ist es auch, die erste und letzte Stufe farblich zu markieren und zu beleuchten. Hier ein paar spezielle Tipps für Senioren:

  • Keine Eile: Lassen Sie sich Zeit, wenn Sie die Treppe nehmen.
  • Handlauf: Beim Gehen auf der Treppe sollte immer eine Hand am Handlauf sein.
  • Immer nur eine Stufe auf einmal nehmen.
  • Keine schweren Lasten und keine Einschränkung der Sicht: Begehen Sie Treppen nie voll bepackt. Transportieren Sie Lasten so, dass Sie die nächste Stufe immer sicher erkennen können.
  • Stolperfalle im Treppenhaus entfernen (wie Blumentöpfe oder Vasen)

Gefahrenquelle Nummer 3: das Badezimmer

Rutschige Fliesen, ein nasser Boden und ein hoher Rand der Badewanne: Diese und andere Gegebenheiten im Bad können für Senioren große Hindernisse darstellen und Risiken für einen schweren Sturz in sich bergen. Tipps für eine seniorengerechte Gestaltung von Badezimmern:

  • Dusche statt Wanne: Das Übersteigen eines Badewannenrands kann für Senioren ein großes Hindernis darstellen. Deshalb sollte man sich über den Ausbau einer Wanne und den Einbau einer seniorengerechten Dusche Gedanken machen.
  • Ebenerdige Duschen: Duschen sollten ebenerdig gefliest und somit ohne Hindernis begehbar sein.
  • Fenster sollten zum Öffnen und Schließen bequem erreichbar sein. Badewanne oder Dusche sollten deshalb nicht unter dem Fenster installiert werden.
  • Rutschfeste Fliesen kaufen: Entscheiden Sie sich beim Kauf für rutschfeste Fliesen. Achten Sie auf eine raue Oberfläche der Fliese sowie auf eine spezielle Kennzeichnung für deren rutschhemmende Wirkung. Bodenfliesen in der Dusche sollten eine Rutschhemmung zwischen R9 und R11 aufweisen.
  • Rutschhemmende Fliesenbeschichtung als Alternative: Um das Ausrutschen auf Fliesen zu vermeiden, ist auch eine nachträgliche Oberflächenbeschichtung möglich.
  • Haltestangen, Haltegriffe und Klappsitze im Bad installieren (lassen).
  • Den Badewannenboden mit rutschfester Gummimatte auslegen.

Gefahrenquelle Nummer 4:  Leitern

Von der Leiter stürzen kann man in jedem Alter. Senioren sind aber zum Beispiel durch körperliche Faktoren wie nachlassendes Balancegefühl oder niedrigen Blutdruck besonders gefährdet. Steigen Sie deshalb nicht auf die Leiter, wenn Sie sich nicht wohlfühlen. Und: Bewahren Sie die Leiter immer so auf, dass Sie sie schnell griffbereit haben. Tipps für die sichere Nutzung von Leitern:

  • Beim Kauf auf das GS-Zeichen achten. Dieses steht für „geprüfte Sicherheit“.
  • Kaufen Sie Leitern und Tritte aus Aluminium statt Holz. Aluminium ist leichter und witterungsbeständiger.
  • Achten Sie darauf, dass die Füße von Leitern und Tritten unbeschädigt sind und eine rutschfeste Riffelung aufweisen.
  • Eingerastete Spreizsicherung: Achten Sie darauf, dass die Spreizsicherung eingerastet ist, bevor Sie auf eine Leiter bzw. einen Tritt steigen. Bänder, die als Spreizsicherung dienen, müssen gespannt sein.
  • Tragen Sie flache, feste Schuhe mit rutschfestem Profil.
  • Keine waghalsigen Bewegungen: Neigen Sie sich im Stand auf einer Leiter oder einem Tritt auf keinen Fall waghalsig zur Seite. Steigen Sie lieber ab und versetzen Sie die Leiter bzw. den Tritt.
  • Drehstuhl, Hocker oder Bierkasten sind kein Ersatz für sichere Leitern und Tritte.

Gefahrenquelle Nummer 5: Stolperfallen

Türschwellen, Teppiche und Kabel sind typische Stolperfallen. Diese scheinbar harmlosen Orte und Ausstattungsgegenstände gehören zu häufigen Gründen für Stürze im Haushalt.

Stürze an Türen lassen sich vermeiden, indem Gitterroste und Fußmatten in den Boden eingelassen werden, sie somit bodengleich sind und keine Stolperfalle darstellen. Türschwellen sollten nach Möglichkeit entfernt werden. Ist das nicht möglich, hilft es, sie optisch vom Boden abzugrenzen, etwa durch eine auffällige Farbe oder Leuchtstreifen. Rampen oder Schwellenkeile können den Höhenunterschied vom Boden zur Türschwelle überbrücken.

Teppiche oder Läufer lassen sich durch Klebebeläge oder Antirutschunterlagen gegen Verrutschen sichern. Überprüfen Sie regelmäßig den Zustand der Befestigungen. Wichtig ist, dass gerade ausgelegt sind und keine Sturz auslösenden Falten aufweisen.

Die meisten Stürze gibt es in Mitteldeutschland

Experten rechnen damit, dass die Zahl der Unfälle im privaten Bereich in den vor uns liegenden Jahren noch weiter steigen wird – insbesondere wegen der Überalterung der Gesellschaft. Mit einem Anteil von 80 Prozent sind Stürze schon jetzt die mit Abstand häufigste Unfallursache. Im Vergleich der Regionen ereignen sich Haushaltsunfälle laut Statistikbehörden besonders oft in den mitteldeutschen Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Foto: AdobeStock/and.one

Hauptkategorie: Demografischer Wandel
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