Genschere könnte bei angeborenen Herzfehlern zum Einsatz kommen

Etwa ein Prozent der Neugeborenen hat einen Herzfehler – Foto: ©Syda Productions - stock.adobe.com
Angeborene Herzerkrankungen sind die häufigsten Organfehlbildungen. Sie kommen bei etwa einem Prozent der Neugeborenen vor. An einer Fehlbildung des Herzens sind eine Vielzahl von Genen beteiligt. Für viele angeborene Herzerkrankungen, wie beispielsweise das Noonan-Syndrom, sind die Zusammenhänge zwischen den genetischen Mutationen und den Herzfehlbildungen noch nicht vollständig erforscht. Die Therapiemöglichkeiten sind daher begrenzt und beschränken sich meist auf die Behandlung der Symptome.
Genetischer Zusammenhang entschlüsselt
Forscher des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben nun erstmals für die angeborene Herzerkrankung Noonan-Syndrom die Zusammenhänge zwischen den zugrundeliegenden Genmutationen und der Entstehung einer Herzmuskelverdickung (Herzhypertrophie) aufklären können. Nach ihren Erkenntnissen sind Veränderungen in einem Gen, dem LZTR1-Gen, die Ursache für die Entstehung der Symptome bei einigen, zuvor ungeklärten klinischen Fällen.
Das Gen reguliert wesentliche Signalwege für die Differenzierung und das Wachstum von Zellen. Die veränderten Varianten des Gens sind nun auch der Ansatzpunkt für eine mögliche Therapie mittels „Genschere“.
Schwerwiegende Herzfehler bei Noonan-Syndrom
Das Noonan-Syndrom ist eine Erbkrankheit, die mit Entwicklungsstörungen einhergeht. Zu den typischen Symptomen gehören Wachstumsverzögerung und Kleinwuchs, Gesichtsfehlbildungen und schwerwiegende Herzfehler. Die genetischen Veränderungen, die der Krankheit zugrunde liegen, bewirken eine Überaktivierung des sogenannten RAS-MAP-Kinase-Signalwegs. Dieser Signalweg ist an vielen biologischen Prozessen beteiligt, z.B. an der Zelldifferenzierung und dem Zellwachstum.
Genmutation als Ursache entschlüsselt
Unter der Leitung von Dr. Lukas Cyganek, Leiter der Stem Cell Unit der UMG, und Prof. Dr. Bernd Wollnik, Direktor des Instituts für Humangenetik der UM, konnte das interdisziplinäre Wissenschaftlerteam nun bei zwei betroffenen Brüdern die Mutation im LZTR1-Gen (leucine zipper like transcription regulator 1) als Ursache identifizieren.
„Die Entschlüsselung der ursächlichen LZTR1-Varianten in beiden Patienten mittels modernster Sequenziertechnologien und Varianten-Interpretation durch unser einzigartiges MutationMining(MM)-Team war die Voraussetzung, um eine Genkorrektur für wissenschaftliche Analysen überhaupt in Erwägung ziehen zu können“, so Wollnik.
Klinische Anwendbarkeit muss noch erforscht werden
Die im Labor nachgebauten, patientenspezifischen iPS-Zellen beider Kinder reagierten auf die Genkorrektur mithilfe von CRISPR/Cas9, der sogenannten „Genschere“ sofort. Die Signalwegs-Aktivität normalisierte sich, die Verdickung der Herzmuskeln ging zurück.
„Die Verwendung der iPS-Zell-Technologie hat es uns ermöglicht, künstliche Herzmuskelzellen der Patienten in der Kulturschale herzustellen. Sie sind der Schlüssel, um auf den jeweiligen Patienten zugeschnittene Therapieoptionen mittels CRISPR/Cas9-Genschere auszutesten“, erklärt Cyganek. Ob der Therapie-Ansatz mit der Genschere auch praktisch an Patienten einsetzbar sein könnte, soll nun Gegenstand weiterer Studien sein.
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