Genom der Burkitt-Lymphome entschlüsselt
Das Burkitt-Lymphom war das erste Lymphom, bei dem bereits in den 1970er Jahren eine wiederkehrende Genveränderung identifiziert wurde. Bei der sogenannten Burkitt-Translokation handelt es sich um den Austausch von Material zwischen zwei Chromosomen, den Trägern der Erbsubstanz, die zur Aktivierung des Krebsgens MYC führt. Heute ist aber erwiesen, dass eine solche Burkitt-Translokation in quasi allen Burkitt-Lymphomen auftritt, aber auch in anderen aggressiven Lymphomen. Außerdem reicht die Aktivierung des MYC-Gens nicht für eine Entartung von Zellen aus.
Erbgut der Krebszellen
Jetzt hat ein interdisziplinärer Verbund deutscher Wissenschaftler unter Beteiligung der Universitätskliniken Schleswig-Holstein (UKSH) und Kiel das komplette Erbgut der Krebszellen von vier Burkitt-Lymphomen entschlüsselt. Die Wissenschaftler sind Teil des Internationalen Krebs-Genom-Konsortiums und haben sich zum Ziel gesetzt, eine Art „Katalog der Fehler“ im Erbgut von Krebszellen solcher Lymphome zu erstellen. In einer ersten Datenauswertung konnten sie zeigen, dass das Erbgut der Tumorzellen des Burkitt-Lymphoms an über 2.000 Stellen im Vergleich zu normalen Zellen verändert ist. Dabei entdeckten die Forscher ein Gen, das in über Zweidrittel aller Burkitt-Lymphome mutiert ist, was neue Angriffspunkte für die Diagnostik und Behandlungsstrategien dieser aggressiven Lympohme liefert.
„Wir haben schon lange vermutet, dass weitere Genveränderungen spezifisch mit MYC in der Krebsentstehung von Burkitt-Lymphomen kooperieren“, sagt Prof. Dr. med. Reiner Siebert, Sprecher des Forschungsverbundes, Direktor des Instituts für Humangenetik des UKSH, Campus Kiel. „Die neuen Forschungsergebnisse zeigen jetzt, dass offensichtlich ganz bestimmte Funktionen der Zelle gestört sein müssen, damit die Aktivierung des Krebsgens MYC zur malignen Entartung führt“.
Neuen molekularen Marker gefunden
Die Wissenschaftler haben nicht nur die Sequenz des Erbguts von vier Burkitt-Lymphomen vollständig entschlüsselt und auf krankheitsrelevante Mutationen untersucht, sondern auch Daten über die veränderte Aktivität der Gene und ihrer Regulation erhoben. „Durch die systematischen Analysen konnten wir zwischen 1.957 und 5.707 Veränderungen im Erbgut der Burkitt-Lymphome im Vergleich zu normalen Zellen identifizieren“, sagt Dr. Matthias Schlesner, Bioinformatiker am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.
Insgesamt 119 Gene wiesen proteinverändernde Mutationen auf. Solche Gene, die in mehreren Fällen verändert waren, wurden von den Forschern in insgesamt 100 Lymphomen mit einer MYC-Translokation weiter analysiert. In 68 Prozent der Burkitt-Lymphome war ein Gen namens ID3 (inhibitor of DNA binding 3) verändert, aber quasi nie in anderen Lymphomen. Damit haben die Wissenschaftler einen neuen molekularen Marker für die Diagnostik zur Unterscheidung von Burkitt-Lymphomen und anderen Lymphomen identifiziert.
Der ICGC MMML-Seq Forschungsverbund ist Teil des weltweiten Internationalen Krebs-Genomprojektes (International Cancer Genome Consortium, ICGC). Ziel dieses ehrgeizigen weltweiten Krebsprojektes ist die umfassende Beschreibung von genetischen und epigenetischen Veränderungen in den 50 bedeutendsten Krebsarten. Die Forschungsarbeiten sollen die Grundlage zur Entwicklung neuer diagnostischer Ansätze und Therapiestrategien schaffen und werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
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