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Forscher entdecken Ursache des häufigsten Hirntumors bei Kindern

Dienstag, 9. Juli 2013 – Autor:
Die häufigsten Hirntumore bei Kindern sind so genannte Pilozytische Astrozytome. Forscher vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg haben nun die genetische Ursache dieser bösartigen Hirntumore entdeckt. Jetzt wollen sie Astrozytome mit zielgerichteten Wirkstoffen bekämpfen.
Forscher entdecken Ursache des häufigsten Hirntumors bei Kindern

Hirntumor im Kindesalter: Pilozytische Astrozytome sind oft schwer operabel

Pilozytische Astrozytome wachsen in der Regel sehr langsam. Oft sind sie aber chirurgisch schlecht zugänglich, so dass sie nicht vollständig entfernt werden können und daher wiederkehren. Die Erkrankung wird dadurch chronisch, die betroffenen Kinder sind oftmals schwer beeinträchtigt.

Die Entdeckung eines Verbunds von Wissenschaftlern unter der Federführung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) kann den Betroffenen nun möglicherweise neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen. Ein bestimmter überaktiver zellulärer Signalweg ist den Forschern zufolge für das Wachstum der Astrozytome verantwortlich. Das Forscherteam namens „PED-Brain“ fand in allen 96 untersuchten Fällen Defekte in Genen, die an diesem Signalweg beteiligt sind. „Betroffenen Kindern kann daher gezielt mit Medikamenten geholfen werden, die Komponenten der Signalkaskade blockieren“, teilt das DKFZ in einer Presseerklärung mit.

Bereits in ihren vorangegangenen Arbeiten hatten die Wissenschaftler um Professor Dr. Stefan Pfister und Dr. David Jones vom DKFZ bei einem sehr großen Anteil der pilozytischen Astrozytome charakteristische Genveränderungen entdeckt. Sie betrafen alle einen wichtigen Signalweg der Zellen, die so genannte MAPK-Signalkaskade. Die Abkürzung steht für „Mitogen-aktivierte Protein-Kinase“. Dieser Signalweg umfasst in Serie hintereinander geschaltete Übertragungen von Phosphatgruppen vom einen Protein zum nächsten – die universelle Art der Zellen, Botschaften an den Zellkern zu übermitteln.

Pilozytische Astrozytom: Offenbar nur ein einziger Signalprozess gestört

„Bei der Gesamtanalyse der Genome von 96 Tumoren sind wir jetzt bei drei weiteren am MAPK-Signalweg beteiligten Genen auf aktivierende Defekte gestoßen, die bisher beim Astrozytom noch nicht beschrieben worden waren“, sagt David Jones, der Erstautor der Arbeit.

„Wir finden in den Tumoren neben den MAPK-Mutationen keine weiteren gehäuft auftretenden Erbgutveränderungen, die das Krebswachstum antreiben könnten. Das ist ein besonders sicheres Indiz dafür, dass überaktive MAPK-Signale notwendig dafür sind, dass ein pilozytisches Astrozytom entsteht“, sagt Studienleiter Stefan Pfister, der zusätzlich zu seiner Forschung als Kinderarzt im Universitätsklinikum Heidelberg arbeitet. Die Erkrankung ist daher ein Prototyp der wenigen Krebsarten, denen Störungen eines einzelnen biologischen Signalprozesses zugrunde liegen.

Das Erbgut der pilozytischen Astrozytome enthält insgesamt weitaus weniger Veränderungen als etwa das der Medulloblastome, einem weitaus bösartigeren kindlichen Hirntumor. Der Befund steht im Einklang mit dem weniger Aggressiven Wachstum der Astrozytome. Die Anzahl der genetischen Veränderungen stieg mit dem Alter der Betroffenen.

Potenzielle Wirkstoffe gibt es schon – Tests stehen noch aus

Etwa die Hälfte der pilozytischen Astrozytome entstehen im Kleinhirn, die übrigen 50 Prozent in verschiedenen anderen Hirnregionen. Die Kleinhirn-Astrozytome sind genetisch sogar noch deutlich homogener als die anderen Erkrankungen: In 48 der 49 untersuchten Fälle stießen die Forscher hier auf Fusionen zwischen dem BRAF-Gen, einer zentralen Komponente des MAPK-Signalwegs, und wechselnden Fusionspartnern.

„Die wichtigste Schlussfolgerung aus unseren Ergebnissen ist“, so der Studienleiter Stefan Pfister, „dass potentiell für alle pilozytischen Astrozytome zielgerichtete Wirkstoffe zur Verfügung stehen, die eine überaktive MAPK-Signalkaskade an verschiedenen Stellen der Kaskade blockieren können. Damit können wir hoffentlich zukünftig auch den Kindern helfen, deren Tumoren operativ schwer zugänglich sind.“

Bis die neue Therapie den Kindern zur Verfügung steht, sind allerdings noch zahlreiche Voruntersuchungen notwendig. Die Deutsche Krebshilfe unterstützte PedBrain-Tumor mit acht Millionen Euro, das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit weiteren sieben Millionen Euro. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Foto: © Dron - Fotolia.com

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