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Flüchtlinge bringen seltene Erkrankungen mit

Mittwoch, 20. April 2016 – Autor:
Mit dem Zuzug von Flüchtlingen ist die Zahl der Tuberkulose-Fälle in Deutschland sprunghaft gestiegen. Doch Ärzte rechnen mit weiteren seltenen Erkrankungen, etwa Infektionen mit dem Hundebandwurm oder die in Afrika verbreitete Sichelzellenanämie.
Flüchtlinge haben Krankheiten, die man in Deutschland praktisch nicht kennt: Ärzte befürchten einen Anstieg von Echinokokkose, Sichelzellenanämie und seltenen Enzymdefekten

Flüchtlinge haben Krankheiten, die man in Deutschland praktisch nicht kennt: Ärzte befürchten einen Anstieg von Echinokokkose, Sichelzellenanämie und seltenen Enzymdefekten – Foto: Maren Winter - Fotolia

Tuberkulose war in Deutschland zwar nie ausgerottet. Im vergangen Jahr ist die Zahl der Tuberkulose-Fälle jedoch um 23 Prozent gestiegen. Nach Informationen des Robert Koch Instituts lässt sich der sprunghafte Anstieg durch den Flüchtlingsstrom erklären. Denn unter den knapp 6.000 gemeldeten Fällen traten 1.255 TB-Erkrankungen bei Flüchtlingen auf. Ärzte rechnen daher mit einem weiteren Anstieg der Tuberkulose in Deutschland. Und nicht nur das.

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) Dr. Gunda Leschber geht von besonders schweren Fällen aus, da die Strapazen während der Reise die Menschen weiter schwächen. Die Thoraxchirurgin glaubt, dass bei vielen die Erkrankung schon so weit fortgeschritten sein könnte, dass eine medikamentöse Behandlung allein die Tuberkulose nicht mehr kurieren könne. In diesen Fällen helfe dann nur noch eine Operation. „Bislang sind derartige Resektionen von zerstörten Lungenabschnitten eine Rarität, die bei weniger als einem Prozent der Erkrankten notwendig wurden“, so Leschber. In den zurückliegenden Jahren sei es jedoch weltweit zu einem Anstieg gekommen. Gründe seien vor allem die unzureichende medikamentöse Therapie und die Ausbreitung von multiresistenten Tuberkuloseerregern gewesen „Wir rechnen damit, dass auch in Deutschland die Operationszahlen steigen werden.“

Echinokokkose macht sich erst Jahre später bemerkbar

Die Chefärztin der Thoraxchirurgischen Klinik der Evangelischen Lungenklinik Berlin warnt aber noch vor ganz anderen seltenen Erkrankungen. Zum Beispiel vor einer Infektion mit dem Hundebandwurm. Die sogenannte Echinokokkose ist in der Türkei und im Nahen Osten stark verbreitet und könnte mit den Flüchtlingen nun nach Deutschland kommen. „Wenn Flüchtlinge auf ihrer Wanderung ungewaschene Nahrungsmittel zu sich nehmen, können sie sich leicht kontaminieren“, sagt Leschber.

Das Tückische: Die Erkrankung tritt häufig erst nach vielen Jahren auf, wenn sich in der Leber oder der Lunge Zysten gebildet haben. Die Behandlung ist schwierig, da die Zysten als Ganzes vorsichtig entfernt werden müssen. Leschber zufolge kann es bei einer Beschädigung zu allergischen Reaktionen oder sogar zu einer Ausbreitung des Bandwurms kommen.

Viele Ärzte dürften hierzulande wohl kaum vertraut mit der Diagnose und Therapie der Echinokokkose sein. Gleiches gilt für Erkrankungen wie die Sichelzellenanämie und seltene Enzymdefekte wie der Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel. Diese Krankheiten kommen gehäuft in Afrika vor, in Deutschland dagegen so gut wie gar nicht.

Sichelzellenanämie in Deutschland so gut wie unbekannt

Bezüglich der Sichelzellenanämie, die oft Brustschmerzen und Kurzatmigkeit verursachen kann, warnt Lungenärztin Leschber vor falschen Diagnosen. Das akute Thoraxsyndrom sei leicht mit einer Lungenentzündung zu verwechseln, sagt sie, denn oft zeigten sich im Röntgenbild des Thorax Infiltrate. Die Patienten benötigten Sauerstoff, Flüssigkeit und starke Schmerzmittel, bis die Krise vorüber sei. „Operationen oder auch Beatmung müssen möglichst vermieden werden, da sie nur zu einer Verschlimmerung führen“, so Leschber.

Vorsicht ist auch bei einem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel geboten. Medikamente oder Operationen könnten hier zu schweren Krisen führen, bei denen die die roten Blutkörperchen zerfallen. Leschber: „Wir sind gut beraten, uns auf diese Krankheitsbilder vorzubereiten, damit wir die richtige Behandlung anbieten können.“

Foto: © Sebastiano Fancellu - Fotolia.com

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