Dauerhafte Schmerzen in verschiedenen Körperbereichen, Müdigkeit, Schlafstörungen oder depressiven Verstimmungen – das Fibromyalgie Syndrom (FMS) ist ein komplexes Krankheitsbild. Obwohl rund drei Prozent der Bevölkerung – meist sind es Frauen – davon betroffen sind, sind die Auslöser der Fibromyalgie bislang unbekannt. Dementsprechend gibt es keine ursächliche Therapie.
„Letztlich ist das Fibromyalgie Syndrom eine Ausschlussdiagnose – die Verdachtsdiagnose wird also erst dann gestellt, wenn andere Ursachen für die beobachteten Beschwerden ausgeschlossen wurden“, sagt Prof. Nurcan Üçeyler, Oberärztin an der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Würzburg. „Insbesondere finden sich keine Schäden oder Entzündungen an Muskeln oder Gelenken, obwohl die Schmerzen in der Regel dort empfunden werden.“
Veränderungen an schmerzleitenden Nervenfasern gefunden
Allerdings hatte Üçeylers Arbeitsgruppe vor acht Jahren erstmal eine biologische Veränderung bei FMS-Betroffenen nachweisen können: Die schmerzleitenden Nervenfasern (small fibers) außerhalb des zentralen Nervensystems wiesen bei einem Teil der Patienten Störungen auf. Unter anderem war die Nervenfaserdichte in der Haut geringer. „Was wir Small fiber-Pathologie nennen, ist zum Beispiel auch als Langzeitfolge eines Diabetes bekannt. Neben einer reduzierten Sensibilität kann eine Small Fiber Pathologie auch zu Missempfindungen und übersteigerter Schmerzwahrnehmung führen“, erläutert Üçeyler, die in diesem Jahr Präsidentin des Deutschen Schmerzkongresses ist.
Fibromyalgie eine Autoimmunerkrankung?
Andere Forschungsgruppen konnten Üçeylers Befund mittlerweile bestätigen. Und es gibt weitere neue Erkenntnisse in Richtung Immunologie: So wurden in Studien bei einem Teil der FMS-Patientinnen bestimmte Antikörper gefunden, die gegen körpereigene Strukturen gerichtet sind. Außerdem wurden Zellen und Botenstoffe des Immunsystems identifiziert, die in ihrer Menge oder Aktivität verändert sind, allerdings wiederum nur bei einem Teil der Betroffenen. Das lässt darauf schließen, dass es verschiedene auslösende Faktoren der Fibromyalgie geben könnte. Vielleicht handelt es sich sogar in einigen Fällen um eine Autoimmunerkrankung.
„Diese Erkenntnisse könnten uns helfen, mögliche Untergruppen des vielfältigen Krankheitsbildes FMS zu identifizieren“, sagt Üçeyler. Mit ihrer Forschung hofft die Neurologin nun, die Suche nach spezifischen, gegen die Ursachen des Fibromyalgie Syndroms gerichteten Wirkstoffen voranzubringen. „Die Ursachen des FMS liegen noch weitgehend im Dunkeln – in aktuellen Studien zeichnen sich jedoch mehr und mehr Besonderheiten ab, die die erhöhte Schmerzempfindlichkeit der Betroffenen zumindest zum Teil erklären und neue Ansatzpunkte für die Therapie des FMS liefern könnten.“
Psychische Komponente dabei
Derzeit gilt es als Konsens, dass neben biologischen Faktoren auch seelische oder psychosoziale Belastungen, Stress und berufliche Überlastung eine Fibromyalgie befördern können. Die aktuelle S3-Leitlinie berücksichtigt den großen Einfluss der Psyche und empfiehlt, körperliche Aktivität und Wärmetherapie mit einem psychotherapeutischen Verfahren zu kombinieren. Eine spezifische medikamentöse Therapie gibt es bislang nicht. Lediglich eine symptomatische Behandlung. So werden zur Linderung ausgeprägter Beschwerden Schmerzmittel und Antidepressiva eingesetzt.