Experten: Bundesweites TB-Screening von Flüchtlingen unerlässlich
Mindestens 10.000 Flüchtlinge kommen derzeit jeden Tag nach Deutschland. Die meisten kommen aus Ländern mit einer hohen Tuberkulose-Prävalenz. Bei etwa jeder zweiten TB-Neuerkrankung handelt es sich um eine offene, also ansteckende Tuberkulose. Experten schätzen, dass pro Jahr ein Erkrankter zehn Gesunde ansteckt. Werden diese Menschen nun in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, müssen sie nach geltendem Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein ärztliches Zeugnis vorlegen, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für eine infektiöse Lungentuberkulose vorliegen. Dieses Zeugnis hat sich dem § 36 Absatz 4 zufolge auf eine Röntgenaufnahme der Lunge stützen. Ausnahmen sieht das Gesetz lediglich bei Kindern unter 15 und Schwangeren vor.
Infektiöse Lungentuberkulosen frühzeitig entdecken
Aus Sicht des Robert Koch-Instituts ist die Regelung nach wie vor richtig und wichtig. Angesichts der aktuellen Gegebenheiten und den Einschränkungen alternativer Screeningansätze sei die verpflichtende Thorax-Röntgenuntersuchung nach wie vor die Methode der Wahl, schreibt das RKI in einer aktuellen Stellungnahme. Primäres Ziel dieser Maßnahme sei es, potenziell infektiöse Lungentuberkulosen frühzeitig zu entdecken und somit weitere Ansteckungen zu verhindern. Insbesondere vulnerable Personengruppen in den Aufnahmeeinrichtungen wie Kleinkinder, Schwangere, Immungeschwächte und Unterernährte gelte es zu schützen.
„In Anbetracht der räumlich oft beengten Unterbringung führt jede unerkannte offene Tuberkulose zu einer hohen Gefährdung einer großen Anzahl von Kontaktpersonen und möglichen Folgeinfektionen und –erkrankungen“, so das RKI. Das Röntgen des Thorax liefere - sofern korrekt durchgeführt und kompetent befundet - zeitnah und objektiv Hinweise auf einen tuberkuloseverdächtigen Befund, welcher dann weiter abgeklärt werden müsse. Ein frühzeitiges Screening sei auch wegen der hohen Mobilität der Asylsuchenden - etwa durch Umverteilung innerhalb des Landes – notwendig. Zudem stellten die importierten multiresistenten Tuberkuloseerreger eine besondere Gefahr dar.
Infektionsschutzgesetz verpflichtet zum bundesweiten TB-Screening
Eine bundeseinheitlich verpflichtende Röntgenuntersuchung, wie sie das Infektionsschutzgesetz vorsieht, hält das RKI daher aus fachlicher Sicht für gut begründet. Absatz 4 des IfSG stellt insofern eine Erweiterung des Asylverfahrensgesetzes dar, wonach die Landesgesundheitsbehörden über derartige Untersuchungen entscheiden dürfen.
In Anbetracht der hohen Flüchtlingszahlen und der nahezu erschöpften Ressourcen in den Ländern, war das RKI aufgefordert worden, das Tuberkulose-Screening von Asylsuchenden fachlich neu zu bewerten. Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose und die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie haben das Bundesinstitut dabei unterstützt.
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