Erste deutsche Studie zur Kunstvermittlung bei Demenz gestartet
Dienstag, 5. August 2014
– Autor:
Cornelia Wanke
Welchen Beitrag können künstlerisch-kreative Ansätze leisten, um das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz zu steigern und die Kommunikation mit ihren Angehörigen zu verbessern? Antwort auf diese Fragen soll ein bisher einzigartiges Projekt geben.
Malen gegen das Vergessen: Ein ganz besonderes Projekt für Demenzkranke!
– Foto: Tanouchka - Fotolia
Kürzlich startete der Arbeitsbereich Altersmedizin am Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität in Kooperation mit dem Städel Museum das ARTEMIS-Projekt, eine deutschlandweit erste Studie zur interaktiven Kunstvermittlung bei Demenz im Museum. Die Idee brachte nach Angaben der Verantwortlichen der Diplom-Psychologe Arthur Schall, der auch Kunstgeschichte studiert hat, vor zwei Jahren von einer Konferenz in Vancouver mit. Dort hätten amerikanische Kollegen über thematische Gruppenführungen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen am „Museum of Modern Art“ in New York berichtet. Es zeigten sich unter anderem Steigerungen des Selbstwertgefühls und Verbesserungen der Stimmung und des situativen Wohlbefindens der Teilnehmer. Das inspirierte die Arbeitsgruppe von Prof. Johannes Pantel zu ihrer auf zwei Jahre angelegten und wissenschaftlich begleiteten Pilotstudie.
Demenzkranke besuchen das Museum – und dürfen dann selbst kreativ werden
Das Städel-Museum konnte nach Angaben der Initiatoren rasch als eines der renommiertesten deutschen Kunstmuseen von der Idee begeistert werden. Hier gab es auch schon positive Erfahrungen mit Kunstangeboten für krebskranke Menschen. Dank der Förderung durch die Familie Schambach Stiftung könnten die ersten Führungen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen im Oktober beginnen, hieß es in einer Pressemitteilung. Oberbürgermeister Peter Feldmann hat die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen. Die Zielgruppe sind Menschen mit leichter bis mittelgradiger Demenz und ihre nahestehenden Angehörigen. In Gruppen von bis zu zwölf Teilnehmern besuchen sie einmal wöchentlich an sechs Terminen das Städel-Museum. Auf eine etwa einstündige thematische Führung durch eigens geschulte Kunstvermittler des Museums folgt bei jedem Besuch kreative Atelierarbeit. Vor und nach dem Museumsbesuchs werden in einer Kurzbefragung Daten zur Stimmung und zum Gedächtnis der Menschen mit Demenz erhoben. „Dies ist die erste randomisierte und kontrollierte Studie zum Einfluss von Museumsbesuchen und künstlerischer Betätigung auf das emotionale Befinden von Menschen mit Demenz“, erklärt die Diplom-Psychologin Dr. Valentina Tesky. Die Studie vergleicht erstmals mit Hilfe einer Interventionsgruppe und einer Kontrollgruppe die Auswirkungen der interaktiven Auseinandersetzung mit Kunst im demenziellen Kontext. Die Zuteilung zu einer von beiden Gruppen erfolgt nach dem Zufallsprinzip. Die Teilnehmer in der Kontrollgruppe erhalten ebenfalls die Gelegenheit zu wöchentlichen Besuchen im Städel, allerdings ohne Führung und anschließende Atelierarbeit.
Projekt soll ein Stück gesellschaftliche Teilhabe zu den Kranken und ihren Angehörigen bringen
Zusätzlich zu Standardtests, die in beiden Gruppen den Verlauf der Demenzerkrankung dokumentieren, ermitteln die Forscher auch die Belastung der Angehörigen, die Beziehung zwischen ihnen und den Erkranken, Veränderungen der Lebensqualität und den Blick auf die Zukunft. In der Interventionsgruppe, die insgesamt 60 Teilnehmer umfassen soll, werden bei jedem Atelierbesuch Ausschnitte des gemeinsamen kreativen Arbeitens einzelner Teilnehmer von Studienmitarbeitern videografisch dokumentiert. Die streng vertraulich gehandhabten Videos werden mit einem methodischen Ansatz ausgewertet, den Arthur Schall bereits für die Analyse der Musiktherapie angewendet hat: die Zeitreihenanalyse. Dabei wird jedes Video in kurze Zeitsequenzen unterteilt, die von geschulten Beobachtern im Bezug auf die Kommunikationsfähigkeit, das Wohlbefinden und das emotionale Ausdrucksverhalten ausgewertet werden. Anschließend können Trendverläufe berechnet und Interventionseffekte nachgewiesen werden. „Wir möchten in diesem Projekt Menschen mit Demenz und ihren durch die Pflege belasteten Angehörigen ein Stück gesellschaftliche Teilhabe und soziale Integration ermöglichen“, erläutert Schall.
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