Erste CAR-T-Zelltherapien in Europa zugelassen

Emily Whitehead war eine der ersten Patienten, die von der CAR-T-Zell-Therapie profitierten. Die heute Zwölfjährige gilt als geilt.
Vor sechs Jahren ging die Geschichte der kleinen Emily Whitehead um die Welt. Die damals 6-jährige US-Amerikanerin erlitt einen Rückfall einer akuten lymphatischen Leukämie (ALL) und sprach auf keine Behandlung mehr an. Das Mädchen hätte sterben müssen, wäre da nicht eine klinische Studie am Children’s Hospital Philadelphia gewesen, die eine neuartige Therapie erprobte: die CAR-T-Zell-Therapie. Dank der zellulären Therapie ist Emily bis heute gesund. Am 10. Mai dieses Jahres feiert sie „6 years cancer free“ (seit Sechs Jahre ohne Krebs!)
„Dies ist der Beginn von etwas Großem“
Am 27. August ist die CAR-T-Zell-Therapie nun auch in Europa von der europäischen Arzneimittelagentur EMA zugelassen worden. Die Zulassung bezieht sich auf zwei Therapien, die von unterschiedlichen Unternehmen entwickelt wurden. Behandelt werden dürfen ab sofort Patienten, die wie Emily einen Rückfall einer akuten lymphatischen Leukämie erleiden, sowie Patienten mit diffusem großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) oder primär mediastinalem B-Zell-Lymphom (PMBCL) – wenn keine andere Therapien mehr greifen.
Schon als es 2017 um die erste Zulassung in den USA ging, sagte die Gwen Nichols, medizinische Leiterin der amerikanischen Leukämie- und Lymphom-Gesellschaft: „Dies ist der Beginn von etwas Großem“. Eine wesentliche Grundlage der ersten Zulassung in den USA wie auch jetzt in der EU waren die positiven Ergebnisse einer offenen Phase-II-Studie, in der es bei 40 von 63 Kindern mit wiederkehrender oder Therapie-resistenter akuter lymphatischer Leukämie (ALL) zur kompletten Remission gekommen ist – also keine Tumorreste oder Krankheitszeichen mehr nachweisbar waren.
Wie funktioniert die CAR-T-Zell-Therapie?
Die CAR-T-Zell-Therapie ist eine zelluläre Therapie aus dem Bereich der Immuntherapien. Im ersten Schritt werden dem Patienten T-Lymphozyten – kurz T-Zellen entnommen, die im Labor gentechnisch umprogrammiert und vermehrt werden. Anschließend bekommt der Patient die veränderten Zellen zurück. Eine einmalige Gabe ist ausreichend. Dann können die „neuen“ T-Zellen auf die Jagd der Krebszellen gehen. Damit das klappt, wurden sie (im Labor) auf der Oberfläche zusätzlich mit einem sogenannten chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet. CAR ist auf die Erkennung das Oberflächenmerkmals CD19 abgerichtet, das in allen Krebszellen, die von B-Zellen ausgehen, vorkommt. CD19 ist also ein idealer Angriffspunkt, damit das Immunsystem die Krebszellen erst erkennen und dann vernichten kann. Und genau das machen sich die beiden nun zugelassenen CAR-T-Zelltherapien zu Nutze. Die Heilungsraten liegen bei der ALL bei knapp 80 Prozent, bei den Lymphomen ist die Ansprechrate nicht ganz so groß.
Welche Nebenwirkungen treten auf?
Da auch gesunde B-Zellen den Marker CD 19 haben, werden diese Immunzellen durch die T-Zell-Therapie ebenfalls attackiert. Der folgende B-Zell-Mangel führt zu einer Immunschwäche, die mit Antikörper-Präparaten behandelt werden kann. Nach der Stammzelltransplantation, die nach einer Car-T-Zelltherapie empfohlen wird, kehren die B-Zellen aber wieder.
Eine weitere Nebenwirkung, zu der es kommen kann, ist ein sogenannter „Zytokinsturm”, bei dem Immunzellen im Übermaß mit Botenstoffen (den Zytokinen) viele weitere Immunzellen zu Abwehrreaktionen anstacheln; das macht sich durch Fieber und weitere Symptome bemerkbar. Doch Ärzte können einen Zytokinsturm medikamentös eindämmen, u.a. mit einem erprobten Medikament, das bei Entzündungen eingesetzt wird.
Was wurde da eigentlich zugelassen?
Mit der CAR-T-Zell-Therapie ist kein Medikament im eigentlichen Sinne zugelassen worden, sondern ein Verfahren, nämlich die gentechnische Umprogrammierung von menschlichen Immunzellen. Trotzdem wird vielfach von einem "Präparat" gesprochen.
Zugelassen wurden die Therapien „Yescarta“ von Gilead und „Kymriah“ von Novartis. Während Yescarta ausschließlich für Erwachsene zugelassen worden ist, bezieht sich die Zulassung von Kymriah auf Kinder und junge Erwachsene bis 25 Jahre, die an einer rezidivierenden oder refraktären ALL leiden. Das Novartits-Präparat darf außerdem Erwachsenen mit diffusem großzelligen B-Zell-Lymphom verabreicht werden.
Was kosten die neuen CAR-T-Zell-Therapien?
Die CAR-T-Zell-Therapie ist teuer. Ungefähr 450.000 Euro kostet eine einmalige Behandlung. Hinzukommt, dass sich die Patienten anschließend noch einer Stammzelltransplantation unterziehen müssen. Die kostet ungefähr noch mal so viel. Das neue Immunsystem ist eine Sicherheitsmaßnahme für den Fall, dass die scharf gemachten T-Zellen verschwinden, bevor die letzte Krebszelle vernichtet ist.
Grenzen der Neuzulassungen
Was die CAR-T-Zelltherapien bisher nicht können: Nicht alle Leukämien haben ihren Ursprung in B-Zellen. Manche Formen gehen aus T-Zellen hervor. Gegen T-Zell-basierten Blutkrebs wirken die beiden Therapien nicht.
Trotz großer Forschungsanstrengungen ist es auch noch nicht gelungen, solide Tumore damit effektiv zu bekämpfen. Ein Grund ist, dass Tumore ihre Umgebung zu einer Art Festung machen, in die die umprogrammierten T-Zellen nicht eindringen können.
Doch natürlich wird mit Hochdruck daran geforscht, die CAR-T-Zelltherapien auch für T-Zell-basierte Leukämien und solide Tumore zu nutzen. Hierfür wird unter anderem nach neuen Angriffspunkten gefahndet.
CAR-T-Zell-Therapie in Deutschland
Momentan wird die CAR-T-Zell-Therapie in Deutschland noch nicht außerhalb von klinischen Studien angeboten, die Zulassung ist ja gerade erste erfolgt. Die Charité hat unterdessen ein eigenes Verfahren in Kooperation mit einem Biotechunternehmen entwickelt. Derzeit wartet das Universitätsklinikum noch auf die Herstellungserlaubnis. Vermutlich Ende des Jahres werden dann zwei klinische Studien für Kinder und Erwachsene starten, so dass auch in Berlin kleine und große Patienten mit aggressiven Leukämien und Lymphomen mit der neuen Immuntherapie behandelt werden können.
Foto: Emily Whitehead Foundation