Erneut viel weniger Krankenhausfälle als vor Corona
Im zweiten Jahr der Corona-Pandemiejahr 2021 haben sich die Fallzahlen in den deutschen Krankenhäusern von den Einbrüchen im ersten Jahr nicht erholt und bewegen sich sogar noch niedriger als 2020. Das ergibt sich aus dem diesjährigen „Krankenhaus-Report“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) auf Basis der Abrechnungsdaten der stationär behandelten AOK-Versicherten. Danach war 2021 bei den „somatischen“, also den körperlichen Erkrankungen, ein Rückgang von 14 Prozent gegenüber 2019 festzustellen, dem Jahr vor Beginn der Pandemie. 2020 hatte der Rückgang bei 13 Prozent gelegen.
Omikron: „Fallzahl-Einbrüche setzen sich fort“
„Ein erster, ganz aktueller Blick auf die Omikron-Welle zeigt, dass sich die Fallzahl-Einbrüche auch in diesem Jahr fortsetzen“, berichtet WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber. So waren im Januar und Februar 2022 gegenüber 2019 Rückgänge von 22 Prozent bei den somatischen und von 14 Prozent bei den psychiatrischen Fällen zu verzeichnen. „Das ist der zweithöchste Wert aller bisherigen Pandemiewellen“, sagt der WIdO-Geschäftsführer weiter. Der Hauptgrund für die aktuellen Einbrüche sei in den hohen Infektionszahlen in der Gesamtbevölkerung zu suchen, die zu deutlichen Personalengpässen in den Krankenhäusern und in der Folge zur Absage von Behandlungen und Operationen führten.
Weniger Fälle bei Herzinfarkten und Schlaganfällen – aber mehr Tote
Nach wie vor Anlass zur Sorge geben nach Einschätzung von Experten die Entwicklungen im Bereich der Notfallversorgung. Beim Herzinfarkt waren 2021 insgesamt 9 Prozent weniger Krankenhaus-Behandlungen festzustellen als 2019 – der Rückgang war damit noch ausgeprägter als 2020 (minus 7 Prozent). Die Zahl der Schlaganfall-Behandlungen lag 2021 um 7 Prozent niedriger als im Vergleichsjahr 2019 (2020: minus 5 Prozent).
„Eine Detailanalyse für den Krankenhaus-Report zeigt, dass in den Kliniken eher schwerere Fälle angekommen sind“, berichtet WIdO-Geschäftsführer Klauber weiter. Bei diesen schweren Fällen sei auch eine höhere 30-Tage-Sterblichkeit im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie festzustellen. „Die Verschiebung hin zu einem höheren Anteil schwererer Fälle mit höherer Sterblichkeit ist ein Hinweis darauf, dass Patientinnen und Patienten mit milderen Symptomen vielfach nicht oder nur verzögert den Rettungsdienst alarmiert haben“, so Klauber.
Mehr Krebstote erwartet, weil Früherkennungstermine für Darmspiegelungen ausfielen
Der Rückgang bei den Brustkrebs-Operationen hat sich 2021 mit minus 1 Prozent deutlich abgeschwächt (2020: minus 5 Prozent), während bei den Darmkrebs-Operationen der Rückgang mit minus 13 Prozent gegenüber 2019 sogar noch stärker ausgeprägt war als im ersten Pandemiejahr (2020: minus 10 Prozent). Außerdem wurden in den Krankenhäusern pandemiebedingt weniger Darmspiegelungen durchgeführt (minus 15 Prozent im Jahr 2020, minus 18 Prozent im ersten Halbjahr 2021). „Hier steht die Befürchtung im Raum, dass fehlende Diagnostik und spätere Behandlung zu mehr schweren Krebserkrankungen, höheren Tumorstadien bei der Erstdiagnostik und einer Erhöhung der Sterblichkeit führen“, so Klauber.
Anhaltende Rückgänge bei planbaren OPs
Bei den planbaren Operationen wie der Implantation künstlicher Hüftgelenke oder der Entfernung der Gebärmutter bei gutartigen Erkrankungen bewegen sich die Rückgänge 2021 gegenüber 2019 ungefähr auf dem gleichen Niveau wie im ersten Pandemiejahr. Sie haben sich aber in der vierten Pandemiewelle Ende 2021 deutlich abgeschwächt. Auffällig ist der anhaltende Einbruch bei den Mandelentfernungen (2020: minus 33 Prozent, 2021: minus 49 Prozent).
Pandemie bringt es zu Tage: Krankenhäuser behandeln oft Fälle, die kein Krankenhaus bräuchten
„Bei allen genannten Operationen handelt es sich um Eingriffe, die tendenziell zu häufig und teilweise ohne leitliniengerechte Indikationsstellung durchgeführt werden“, kritisiert der WIdO-Chef. „Insofern gab es im Zuge der Pandemie offenbar auch einen Abbau von Überversorgung bei diesen Eingriffen. Eine vollständige Rückkehr zum Fallzahl-Niveau vor der Pandemie erscheint keineswegs sinnvoll.“ Dies gelte erst recht für die sogenannten „ambulant-sensitiven“ Krankenhausfälle, die nach Einschätzung von Fachleuten häufig auch ambulant versorgt werden könnten – also in Arztpraxen und ohne eine Aufnahme ins Krankenhaus. Beispiele hierfür sind die Behandlungen von Herzinsuffizienz oder der vor allem bei Rauchern auftretenden „chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung“ (COPD).