Erektile Dysfunktion als Lebensretter und unterschätzte Depressionen
Seelische Erkrankungen bei Männern werden immer noch stigmatisiert und tabuisiert. Das hat sehr damit zu tun, dass Männer selbst erste Anzeichen auf gesundheitliche Störungen häufig ignorieren – unter anderem aus Angst, nicht mehr die gewohnte und erwartete Leistung zu bringen.
Doch bei der psychischen Gesundheit von Männern entsteht gesellschaftliche Aufmerksamkeit erst bei massiven Auffälligkeiten, so der Hinweis der Sozialwissenschaftlerin Anne Marie Möller-Leimkühler im Männergesundheitsbericht 2013. Die Folgen sind fatal: psychische Störungen bei Männern werden unterschätzt, bei den therapeutisch festegestellten Depressionen liegen Männer deutlich hinter den Frauen, 60 bis 90 Prozent der Männer mit psychischen Erkrankungen werden gar nicht behandelt, schätzen Experten.
Den Schluss auf eine hohe Dunkelziffer männlicher Depressionskranke legt auch die hohe Zahl der Selbstmorde bei Männern nahe: Dreimal so viele Männer wie Frauen begingen im Jahr 2011 Selbstmord – so der Männergesundheitsbericht 2013.
Psychische Störungen unterschätzt, unterdiagnostiziert und unterbehandelt
Als Risikofaktor für psychische Erkrankungen bei Männern gilt vor allem Arbeitsstress, verursacht durch Leistungsdruck, ständige Erreichbarkeit, wachsende Mobilitätszwänge, befristete Arbeitsverhältnisse und damit verbundene Unsicherheit. Aber auch psychosoziale Krisen wie Trennungen und Scheidungen spielen eine wichtige Rolle.
Die seltenere Diagnose Depression bei Männern hat mit unterschiedlichen Symptomen zu tun. Die männliche Depression äußert sich häufig in einem erhöhten Sucht- und Risikoverhalten, erhöhter Aggression und Gewaltbereitschaft. Ein Verhalten, das oft die klassischen Depressionsmerkmale Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen und Antriebslosigkeit überdeckt.
Männermedizin: erektile Dysfunktion als Warnsignal
Vorsorge in der Männermedizin beschränkt sich nicht auf urologische Krebsleiden – so der Hinweis von Dr. Kim-Christian Heronimus, der in einem Vortrag Anfang August die Männermedizin am Berliner Vivantes Klinikum im Friedrichshain vorgestellt hat. Für Männer ab 40 wird die erektile Dysfunktion zum Thema, ab 50 Jahren sind knapp 16 Prozent davon betroffen, deren Anzahl verdoppelt sich in den folgenden 10 Lebensjahren.
Stress, Rauchen, Alkoholmissbrauch, sexuelle Leistungsangst, Angst vor einer Schwangerschaft, sowie chronische Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck, Nierenerkrankungen, Funktionsstörungen der Leber, Erhöhung der Blutfettwerte, hormonelle Veränderungen im Alter oder eine Reihe von Medikamenten wie gegen Bluthochdruck und andere Herz-Kreislauferkrankungen können nachteilig auf die Potenz des Mannes wirken.
Impotenz ist ein wichtiges Warnsignal für ernsthafte Erkrankungen wie bisher unentdeckte Herz-Kreislaufkrankheiten oder Diabetes mellitus, warnt Dr. Heronimus. Gerade bei Männern im Alter von 40 bis 50 Jahren sei dieser Zusammenhang klar zu erkennen.
Die erektile Dysfunktion ist bei 70 Prozent aller Männer, bei denen später eine koronare Herzerkrankung auftritt, Vorläufer dieser Erkrankungen gewesen. Eine Reihe von Studien zeigt: Einer signifikant hohen Anzahl von Männern mit erektiler Dysfunktion droht innerhalb weniger Jahre ein Schlaganfall oder Herzinfarkt.
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