Diabetesmittel Tresiba verschwindet vom deutschen Markt
Der Pharmakonzern Novo Nordisk hat den Vertriebsstopp für das Diabetesmittel Tresiba angekündigt. Ab Ende September wird das Basalinsulin degludec nicht mehr in deutschen Apotheken zu finden sein. Zwar kann Tresiba theoretisch noch über Auslandsapotheken bezogen werden, doch Ärzte dürfen es dann nicht mehr verschreiben. Als Grund für den Rückzug gibt das Unternehmen an, es sei wirtschaftlich nicht tragbar, das Präparat künftig zu dem Listenpreis anzubieten. Den neuen Erstattungspreis hatte die Schiedsstelle in der vergangenen Woche festgelegt. Da Tresiba keinen medizinischen Zusatznutzen besitzt, darf es künftig nicht viel mehr als ein übliches Humaninsulin kosten. Das Schiedsgericht ist damit den Spielregeln des Arzneimittelgesetzes AMNOG gefolgt, die Novo Nordisk offenbar nicht akzeptieren wollte.
Rund 40.000 Diabetiker spritzen Tresiba
Rund 40.000 Patienten in Deutschland sind in den kommenden drei Monaten gezwungen, sich auf ein neues Insulinpräparat einzustellen. Ärzte kritisieren das Vorgehen des Pharmaunternehmens scharf. „Wir sind erschüttert, dass man sich in den Preisverhandlungen nicht einigen konnte“, sagt der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft Professor Baptist Gallwitz. „Die Vertriebseinstellung erfolgt nicht aus medizinischen, sondern allein aus Kostengründen“, kritisiert der Diabetologe vom Universitätsklinikum Tübingen.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Diabetes-Hilfe „diabetesDE“Professor Thomas Danne bedauerte, dass Diabetespatienten eine wichtige Therapiemöglichkeit entzogen werde. Das Präparat habe viele Anwendungsvorteile, etwa dass es das Risiko von Unterzuckerungen, vor allem nachts, reduziert oder der Injektionszeitpunkt am Tag beliebig gewählt werden kann, ohne dass dies negative Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel hätte. Insbesondere für Menschen, die auf externe Hilfe angewiesen seien, sei der Wirkstoff degludec deutlich besser geeignet als andere Basalinsuline.
Umstellung auf anderes Insulin schwierig und teuer
Die Umstellung auf ein neues Insulin gestaltet sich oft deutlich schwieriger als der Wechsel bei anderen Arzneimitteln. So sind etwa die Fertigpens unterschiedlich in der Handhabung. Außerdem unterscheidet sich die Wirkdauer bei vielen Insulinen erheblich und damit auch der Zeitpunkt und die Häufigkeit der Anwendung. Unter Umständen muss die gesamte Diabetestherapie neu ausgerichtet werden.
„Wer das Insulin degludec spritzt, sollte sich unbedingt in den nächsten Wochen mit seinem behandelnden Arzt in Verbindung setzen, um die Umstellung rechtzeitig zu planen“, rät Danne. In der Umstellungsphase seien häufigere Blutzuckermessungen und bei vielen Patienten auch Dosisanpassungen notwendig, um Unterzuckerungen zu vermeiden. „Das verursacht enorme Kosten, birgt aber auch gesundheitliche Gefahren“, so der Diabetesexperte.
Kritik kommt auch von der Techniker Krankenkasse. TK-Chef Dr. Jens Baas sprach von einem „verantwortungslose Verhalten“, das Patienten und Ärzte stark verunsichere. "Die Verantwortlichen bei Novo Nordisk kannten die gesetzlichen Rahmenbedingungen und sie wussten, dass ihr Präparat keinen Zusatznutzen hat“, sagte er. „Umso unverständlicher ist es, dass sie erst mit Hilfe von Pharmaberatern und Marketing breit in den Markt gehen, viele Menschen auf das Präparat einstellen lassen und das Produkt nun wieder vom Markt nehmen."
Novo Nordisk in AMNOG-Verhandlungen gescheitert
Novo Nordisk gibt unterdessen den Ball an der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen zurück. Man habe dem GKV-Spitzenverband Lösungsvorschläge unterbreitet, die völlig im Einklang mit den Vorgaben des AMNOG stünden und Millionen Euro eingespart hätten, erklärte die deutsche Geschäftsführerin Krisja Vermeylen. Es sei sehr schwer zu verstehen, warum der GKV-Spitzenverband die Angebote abgelehnt habe. „Dies ist eine überaus beunruhigende Entwicklung – sowohl für Menschen, die auf eine Insulintherapie angewiesen sind, als auch für ihre behandelnden Ärzte“, so Vermeylen.
Foto: Novo Nordisk