DGHO-Umfrage zu Methadon: viel Emotion, wenig Fakten

Online-Umfrage der DGHO: Die meisten Onkologen haben keine unmittelbaren Erfahrungen mit Methadon als Krebsmittel. Darum mussten viele bei bestimmten Fragen passen – Foto: ©Elnur - stock.adobe.com
Lange hat die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGH0) zum Thema Methadon in der Krebstherapie geschwiegen bzw. auf eine ältere Stellungnahme verwiesen. Jetzt hat die onkologische Fachgesellschaft eine Umfrage* unter ihren Mitgliedern durchgeführt und einige ausgewählte Ergebnisse in einer Mitteilung veröffentlicht.
Mehr als 80 Prozent der Befragten geben demnach an, in letzter Zeit "oft" oder "sehr oft" auf die Möglichkeit einer Methadon-Therapie angesprochen worden zu sein, was auch das gefühlt große öffentliche Interesse widerspiegelt. Fast ebenso viele Onkologen erlebten die Gespräche über Methadon mit ihren Patienten „als kompliziert“ und „emotional“.
Bemerkenswert ist, dass 81 Prozent von „enttäuschten Patienten“ berichten, wobei sich die Enttäuschungen nicht etwa auf einen ausbleibenden Therapieerfolg beziehen, wie der Tenor der Meldung „Hohe Erwartungen können nicht erfüllt werden“ suggerieren könnte. Enttäuscht sind die Patienten vielmehr darüber, dass ihnen ihre Onkologen von Methadon abraten. Dies bestätigte die DGHO auf Nachfrage.
Praktisch kein Onkologe verschreibt Methadon
Die Zurückhaltung der Ärzte in Sachen Methadon lässt sich an den folgenden Zahlen ablesen: 96 Prozent der Befragten geben an, Methadon nicht als Krebsmittel zu verschreiben, und 70 Prozent berichten, auch keine Patienten mit zu betreuen, die das Mittel von anderen Ärzten rezeptiert bekommen haben. Das heißt, der größte Teil der Befragten hat keine unmittelbaren Erfahrungen mit Methadon als Krebsmittel.
Diese Vorzeichen sollte man zumindest im Kopf haben, wenn es heißt, dass nur zwei Prozent der Onkologen von Krankheitsverläufen berichten „in denen eine direkte oder zusätzliche Wirkung von Methadon auf den Tumor plausibel schien.“ Unerwartete oder ausgeprägte Nebenwirkungen wollen dagegen 20 Prozent der Onkologen beobachtet haben. Dass diese Beobachtungen nur von den Onkologen stammen können, die Erfahrung mit Methadon-Patienten haben (weniger als 30 Prozent der Befragten), versteht sich von selbst. Insofern führen die prozentualen Angaben hier in die Irre, da sie sich auf alle 473 Befragten beziehen.
DGHO wollte eine Stimmungsbild
Natürlich handelt es sich bei der Befragung um keine hoch wissenschaftliche Studie, sondern lediglich um ein Stimmungsbild. Und das sieht nach Interpretation der DGHO so aus: Viel Emotion auf Seiten der Patienten, keine wissenschaftliche Evidenz und kaum positive Erfahrungen aus der Praxis. Ergo sieht sich die DGHO in ihrer Einschätzung bestätigt, „dass aufgrund der fehlenden Evidenz eine unkritische und undifferenzierte Off-Label-Anwendung von D,L-Methadon im Rahmen der Krebstherapie nicht gerechtfertigt ist.“
Dass Onkologen, wie in der Befragung nebenbei herauskam, kaum Patienten behandeln, die Methadon als Krebsmittel einnehmen, kann man ihnen nicht unbedingt ankreiden. Methadon ist als ebendieses nicht zugelassen und die einschlägigen Fachgesellschaften raten ausdrücklich von der unkritischen und undifferenzierten Off-Label-Anwendung ab.
Missverständliche Botschaften
Wenn die DGHO aber in ihrer Mitteilung schreibt, dass „die positiven Erfahrungen sehr selten sind“ und „hohe Erwartungen nicht erfüllt werden können“, dann entsteht der Eindruck, als ob die Untersuchung belege, dass Methadon als ergänzendes Krebsmittel untauglich ist und die Patienten enttäuscht. Das geht so aus der Umfrage aber gar nicht hervor.
Dennoch haben viele Medien die Botschaft so verstanden und aufgegriffen. Das Deutsche Ärzteblatt titelt zum Beispiel „Wenige Onkologen berichten über positive Wirkung“, ohne zu erwähnen, dass von negativen Wirkungen dagegen überhaupt nicht die Rede ist und nur ganz wenige Onkologen überhaupt Erfahrung mit Methadon als Krebsmittel haben. So entsteht ein Stimmungsbild mit viel Emotion und wenig Fakten.
*An der online-Umfrage nahmen von Ende Juli bis Anfang August 473 niedergelassene und klinische Onkologen teil, also rund jedes sechste DGHO-Mitglied.
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