Deutscher Krebskongress: Kleine Fortschritte realistischer als große Durchbrüche
Am Mittwochnachmittag wurde der 31. Deutsche Krebskongress in Berlin eröffnet. Gleich zum Auftakt wurden jüngste Erfolge in der Krebsmedizin präsentiert, darunter eine bislang unveröffentlichte Studie zum krankheitsfreien Überleben bei chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) aus Köln. Die Studie zeigt, wie zielgerichtete Therapien das Überleben verbessern können. So hatten CLL-Patienten mit Mutation im IGHV-Gen, die eine Kombinationstherapie aus Chemotherapie und Antikörper erhalten haben, ein deutlich längeres krankheitsfreies Überleben sowie generell ein längeres Überleben als CLL-Patienten ohne diese Mutation und eben ohne diese zielgerichtete Therapie.
„Patienten mit einer fortgeschrittenen chronisch lymphatischen Leukämie leben heute mehr als doppelt so lang als noch vor zehn Jahren“, erklärte PD Dr. Barbara Eichhorst von der Uniklinik Köln bei der Auftaktpressekonferenz. „Das ist ein großer Erfolg, und wir arbeiten daran, dass diese Leukämie eines Tages heilbar oder zumindest ein Leben lang kontrollierbar ist.“ Die neue Studie sei ein weiterer Schritt auf diesem Weg. „Auf der Basis unserer Daten können wir nun bestimmten Patientengruppen sagen, dass sie gute Chancen haben, nach einer Standard-Chemoimmunotherapie für viele Jahre krankheitsfrei zu leben“, so die Kölner Onkologin.
Medizinischer Fortschritt ist nur ein Teil eines intelligenten Versorgungskonzepts
Für den Kongresspräsidenten Prof. Dr. Michael Hallek sind die Studienergebnisse nur ein Beleg, wie Innovationen den Patienten neue Perspektiven eröffnen. Gerade deshalb bedürfe es weiterer Innovationen, Durchbrüche und Forschergeist, meinte der renommierte Krebsmediziner von der Uniklinik Köln. „Vor allem aber brauchen wir Lösungen dafür, wie wir die hohe Dynamik des Forschungsgeschehens in die klinische Routine transferieren – und zwar flächendeckend, schnell, sicher und wirtschaftlich sinnvoll.“ Hierbei spiele die Frage nach der Finanzierung unabhängiger klinischer Studien eine wichtige Rolle. „Das setzt aber einen enormen Strukturwandel voraus, den wir gemeinsam gestalten müssen“, betonte Hallek.
Dass Deutschland bei den Überlebenschancen von Krebspatienten im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz einnimmt, sei größtenteils auf viele kleine Fortschritte in der Behandlung zurückzuführen, sagte der Epidemiologe Dr. Klaus Kraywinkel vom Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert Koch-Institut. „Diese Teilerfolge im Kampf gegen den Krebs sind aber bisher eher in kleinen Schritten als durch große Durchbrüche erreicht worden.“ Um weitere Fortschritte zu erzielen, seien nicht nur weitere medizinische Innovationen erforderlich, sondern auch die intelligente Nutzung von Daten. „Durch die Erfassen und Nutzung von Informationen aus der Epidemiologie und auch der Versorgung Krebskranker sollten wir ein lernendes System machen, das dazu beiträgt, diesen Weg der kleinen (Fort)schritte weiterzugehen“, sagte Kraywinkel mit Blick auf den derzeitigen Aufbau eines bundesweiten klinischen Krebsregisters.
In Deutschland stagniert die Zahl der Krebsneuerkrankungen auf hohem Niveau
Außerdem wies Kraywinkel auf die enorme Bedeutung der Prävention und Früherkennung hin. Trotz der weiteren Zunahme des Anteils älterer Menschen in unserer Bevölkerung stagnieren die Zahlen der Krebsneuerkrankungen seit einigen Jahren auf hohem Niveau (480.000). Bei Darmkrebs sei sogar ein Rückgang zu beobachten, erklärte Kraywinkel „Wir können davon ausgehen, dass die Häufigkeit von Krebserkrankungen zu einem gewissen Maße beeinflussbar ist.“
Der Deutsche Krebskongress geht am Samstag zu Ende. Gleichzeitig startet der 6. Krebsaktionstag für Patienten am 22. Februar um 10 Uhr in der Berliner Messe Süd.