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Darum kritisieren Wissenschaftler die Verkürzung des Genesenen Status

Freitag, 28. Januar 2022 – Autor:
Die Verkürzung des Genesenen Status auf drei Monate ist ein deutscher Sonderweg. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach spricht von einer Kommunikationspanne, hält die Entscheidung in der Sache aber für richtig. Scharfe Kritik gibt es aus der Wissenschaft.
Genesene schlechter zu stellen als zweimal geimpfte – entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage

Genesene schlechter zu stellen als zweimal geimpfte – entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage – Foto: © Adobe Stock/ A_Bruno

Vergangene Woche hatte das Robert Koch-Institut über Nacht den Genesenen Status auf drei Monate verkürzt. Damit hat Deutschland nicht nur Millionen Bürgern Freiheitsrechte wie den Restaurant- oder Theaterbesuch entzogen, sondern geht auch einen Sonderweg. Am Dienstag einigten sich die EU-Staaten auf eine Gültigkeit des Genesenen-Zertifikat von 180 Tagen für Reisen.

Lauterbach schiebt Ad-hoc-Entscheidung aufs RKI

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach steht seither unter Beschuss. Bei Maybritt Illner am Donnerstagabend schob er nun dem Robert Koch-Institut den schwarzen Peter zu. Die Entscheidung sei „früher auf die Seite des Robert-Koch-Instituts gekommen, als ich mir gewünscht hätte“, sagte Lauterbach. „Das ist eine Kommunikationsfehlleistung gewesen“, räumte er ein. Kurz zuvor hatte er in der FAZ erklärt er, „dass der Genesenenstatus jenseits der Quarantäneregeln quasi über Nacht auf drei Monate verkürzt wurde – davon war ich nicht unterrichtet.“

Den Beschluss hält er aber in der Sache für „sehr richtig“. Lauterbach stellt sich also hinter die „wissenschaftliche Entscheidung“ seiner Behörde, will aber nach eigenen Angaben auf die Entscheidung des RKI keinen Einfluss genommen haben.

Omikron durchbricht den Immunschutz schneller

Das RKI wiederum verweist auf Daten aus England, wonach Omikron den Immunschutz schneller durchbricht. Doch nicht nur bei Genesenen, auch bei Geimpften ist das so. Auf diesen Widerspruch verwiese der Immunologe Carsten Watzl bei Maybritt Illner. „Wenn man sagt, dass Omikron die Regeln verändert hat, dann hat es die Regeln auch für die Geimpften verändert hat“, sagte er. Jemand, der ‚nur‘ zwei Impfungen bekommen habe, stehe nach drei Monaten ähnlich schlecht da in Bezug auf eine Infektion mit Omikron, wie jemand, der nur genesen sei.

Infektion steht Impfung um nichts nach

Auch für den Virologen und Epidemiologen Alexander Kekulé entbehrt die alleinige Verkürzung des Genesen-Status jeder Logik. Kekulé sagt im MDR Podcast Nr. 266, das RKI liege mit seiner Verkürzung zwar nicht ganz falsch. Denn eine zurückliegende Infektion mit Delta oder Alpha schütze „in der Tat, insbesondere wenn es um die Weitergabe des Virus geht, nicht so gut vor Omikron.“ Aber: „Das Gleiche müsste ja dann auch für die Impfung gelten“, betonte er. Die Daten aus England, auf die sich das RKI beziehe, sagten „nicht im Entferntesten aus, dass man nach der Impfung, eine andere Immunität haben würde als nach einer Infektion.“

Nach Kekulés Aussagen sind Genesene sogar tendenziell besser geschützt: „Wir wissen bei einer natürlichen Infektion ist ja nicht nur die Immunität gegen dieses Spike-Protein vorhanden, was durch einen Impfstoff erzeugt wird, sondern auch durch viele andere Teile des Virus insgesamt“, sagte er. „Und da muss man eben sagen: da ist der große Unterschied zur Impfung, weil bei der Impfung eben nur dieses Spike-Proteinen angeboten wird und bei einer natürlichen entdeckt sozusagen das Immunsystem mit allen Teilen des Virus in Kontakt kommt.“

Nach Logik des RKI müsste dann auch der Impfpass für drei oder vielleicht sogar nur für zwei Monate gelten, meinte Kekulé. Doch hierfür sei Brüssel zuständig. Außerdem hätte so eine Verkürzung einen enormen politischen Einfluss auf die Impfbereitschaft.

Hauptkategorien: Corona , Medizin
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