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Corona: Sterbezahlen des RKI sind in der Regel drei Wochen alt

Mittwoch, 20. Januar 2021 – Autor:
Täglich veröffentlicht das Robert Koch-Institut die Sterbezahlen in Zusammenhang mit COVID-19. Anders als suggeriert haben sich die Todesfälle nicht in den letzten 24 Stunden ereignet. Das IGES-Institut hat herausgefunden, dass die Zahlen mehr als drei Wochen alt sind.
RKI-Sterbezahlen unter die Lupe genommen: Die COVID-19-Todesfälle haben sich nicht in den letzten 24 Stunden, sondern innerhalb der letzten drei Wochen ereignet

RKI-Sterbezahlen unter die Lupe genommen: Die COVID-19-Todesfälle haben sich nicht in den letzten 24 Stunden, sondern innerhalb der letzten drei Wochen ereignet – Foto: ©tadamichi - stock.adobe.com

Dass die Statistiken des Robert Koch-Instituts der Realität immer etwas hinterherhinken, ist für die Zahl der Neuinfektionen inzwischen gut bekannt. So vergehen zwischen Ansteckung und offizieller Meldung im Schnitt zehn Tage. Das ist nachvollziehbar, denn es dauert eine Weile, bis Symptome auftreten, ein Arzt aufgesucht, die Corona-Infektion von einem Labor bestätigt und über das Gesundheitsamt schließlich dem RKI gemeldet wird.

Falscher Eindruck wird vom RKI nicht korrigiert

Dass auch die Sterbezahlen in Zusammenhang mit COVID-19 ein Blick in die Vergangenheit sind, ist dagegen überhaupt nicht bekannt. Nicht zuletzt über die Medien wird suggeriert, dass sich die Todesfälle innerhalb der letzten 24 Stunden ereignet haben. Doch das ist ein Trugschluss, wie das Berliner IGES-Institut ermittelt hat. „Die Zahlen, die das RKI jeden Morgen veröffentlicht, sind im Durchschnitt über drei Wochen alt“, sagte IGES-Chef Prof. Bertram Häussler der „WELT“. Das RKI erwecke zwar selbst nicht den Eindruck, es handle sich um tagesaktuelle Zahlen,  „die Behörde müsste aber angesichts der massenweisen falschen Rezeption schon längst gesagt haben: Stopp, diese Zahlen können so nicht interpretiert werden“, so Häussler.

Drei Wochen Zeitverzug bei der Meldung von COVID-19-Verstorbenen

Für die Analyse nutzte das IGES-Institut zwei öffentlich einsehbare Datenbanken des RKI. Das erlaubte den Forschern zurückzuverfolgen, wann diese Sterbefälle ans RKI übermittelt wurden und wann sie tatsächlich eingetreten sind. Eine Stichprobe für den 14. Januar ergab zum Beispiel: Von den am Folgetag gemeldeten mit oder an COVID-19 1.113 verstorbenen Personen waren gerade mal 20 tatsächlich am 14. Januar gestorben. Jeder zweite Todesfall hat sich demnach schon vor dem 27. Dezember ereignet, also im Durchschnitt 3,2 Wochen früher.

Der Zeitverzug liegt offenbar daran, dass Ärzten im Krankenhaus die Zeit fehlt, den Todesfall mit einem entsprechenden Meldebogen direkt ans RKI zu melden. Eigentlich wären sie laut Infektionsschutzgesetz dazu verpflichtet, doch die Kliniken arbeiten am Limit. Wird dann nur ein ganz normaler Totenschein ausgestellt, geht die Meldung zuerst ans Standesamt und von dort zum Gesundheitsamt. Die Mitarbeiter sind ebenfalls am Limit. In einem aufwändigen Verfahren müssen sie den Todesfall einem Verdachtsfall zuordnen, den ein Arzt gemeldet hat, sowie einem positiven Befund, den ein Labor gemeldet hat. „Erst wenn beides vorliegt, kann die verstorbene Person nach dem Infektionsschutzgesetz als Covid-Toter an das RKI übermittelt werden“, berichtet Häussler der „WELT“.

Politik operiert mit unbrauchbaren Zahlen

Dass das RKI diesen Meldeverzug nicht klar kommuniziert, führt nicht nur die Medien und die Öffentlichkeit zu falschen Annahmen. „Auch die Mehrheit der politischen Entscheidungsträger geht immer noch davon aus, dass die Sterbezahlen die vergangenen 24 Stunden darstellen“, kritisiert Bertram Häussler. Seiner Ansicht nach müsse „das RKI auf seinen Internetseiten mit Großbuchstaben darauf hinweisen, dass sich die veröffentlichten Sterbezahlen weit in der Vergangenheit abgespielt haben.“

Besonders ärgerlich ist die falsche Fährte, da die Verlängerung des Lockdowns ja auch mit der Zahl der COVID-19-Todesfälle begründet wird. Dabei spielen die aktuellen Sterbezahlen die Situation vor Weihnachten wieder. Diese Zahlen als Entscheidungsgrundlage zu nehmen, sei unhaltbar, meint Häussler. „Uns droht ein Mega-Lockdown auf Basis unbrauchbarer Zahlen.“

Foto: © Adobe Stock/tadamichi

Hauptkategorien: Berlin , Gesundheitspolitik , Medizin
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