Corona-Schnelltests: Nicht einmal halb so zuverlässig wie von Herstellern versprochen

Sars-CoV-2-Antigen-Schnelltests drei verschiedener Hersteller. Erscheint ein Strich bei „C“, bedeutet das: Der Test hat technisch funktioniert und ist auswertbar. Erscheint ein Strich bei „T“, liegt eine Corona-Infektion vor. – Foto: Universitätsklinikum Würzburg/ Institut für Hygiene und Mikrobiologie/Manuel Krone
In der Schule, vor dem Besuch von Kulturveranstaltungen, auf der Fahrt in den Urlaub: Überall ist ein negatives Testergebnis der Schlüssel zum Einlass. Kein Wunder: Schließlich sind die Schnelltests eine einfache, kostengünstige und direkt vor Ort auswertbare Möglichkeit der Testung auf eine Infektion mit Sars-CoV-2. Im Bemühen, die Corona-Pandemie einzudämmen, sind Antigen-Schnelltests daher derzeit ein weit verbreitetes Instrument.
Schnelltest-Empfindlichkeit: Hersteller bewerten sich selbst
Damit Schnelltests überhaupt zugelassen werden können, sollen sie eine „Sensitivität“ von über 90 Prozent erreichen. Das bedeutet: Von 100 Infizierten, die sich einem Schnelltest unterziehen, sollen über 90 Prozent aufgespürt werden können – durch ein „positives“ Testergebnis. Vergleichsmaßstab ist der sehr sichere, aber aufwändigere und zeitraubendere PCR-Test, bei dem die Erbsubstanz des Coronavirus mittels Diagnostik im Labor nachgewiesen wird.
Eine Schwachstelle im Zulassungsverfahren: Die „hohe Zuverlässigkeit“, die Tests erfüllen müssen, wird mittels Labordaten „bestätigt“, die Hersteller selbst bereitstellen. Keine Überraschung, dass dann Sicherheiten von 90 Prozent und mehr auf der Verpackung stehen.
Studie: Zuverlässigkeit nur bei 42 Prozent – statt über 90
Eine Studie der Institute für Hygiene und Mikrobiologie sowie für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg sowie des dortigen Universitätsklinikums (UKW) stellt den Herstellerangaben ein vernichtendes Zeugnis aus. „Demnach liegt die Sensitivität der Antigen-Schnelltests im klinischen Praxiseinsatz mit 42,6 Prozent signifikant unter den Herstellerangaben“, heißt es in einer Mitteilung der Universität. In der Studie wurden 5.068 Fälle analysiert, bei denen die Teilnehmer sowohl per Schnelltest als auch per PCR-Test auf eine mögliche Infektion mit dem Coronavirus hin untersucht wurden. Anschließend wurden die Resultate beider Testverfahren miteinander verglichen.
Tests aber gut geeignet, um „Superspreader“ aufzuspüren
Der Studie zufolge eignen sich Schnelltests dazu, Hochinfektiöse, also Personen, die bereits mitten im Infektionsgeschehen stehen, zu identifizieren. „Unsere Auswertung zeigt, dass Sars-CoV-2-Infizierte mit sehr hoher Viruslast – potenzielle ‚Superspreader‘ – sehr zuverlässig mittels Antigen-Schnelltests als positiv erkannt werden“, sagt Studienleiter Manuel Krone. „In Sars-CoV-2-Proben mit niedrigen Viruslasten hingegen werden Infektionen so gut wie nicht erkannt.“
Trügerische Sicherheit bei „negativem“ Testergebnis
Problematisch ist dies aus Sicht der Mediziner vor allem zu Beginn einer Infektion. „Dann liefern Antigen-Schnelltests möglicherweise erst später als ein PCR-Test die richtige Diagnose und können so den Betroffenen eine falsche Sicherheit geben“, sagt Krone. Die Gefahr sei damit groß, dass sich Infizierte aufgrund eines negativen Testergebnisses fälschlicherweise in Sicherheit wiegten, nicht mehr an die Abstands- und Hygieneregeln hielten und somit das Virus in ihrem Umfeld verbreiteten.
„Großflächige Schnelltests unterbrechen Infektionsketten“
Trotz der schlechten Noten, die die Studie Schnelltests ausstellt, wollen die Forschenden aus Würzburg keineswegs grundsätzlich von ihrem Einsatz abraten. Die Begründung: „Großflächig und regelmäßig eingesetzt ermöglichen sie eine zusätzliche Erkennung von in vielen Fällen auch asymptomatischen Sars-CoV-2-Infizierten und damit eine Unterbrechung von Infektionsketten.“ Die Erstautorin der Studie, Isabell Wagenhäuser, sagt dazu: „In Situationen, in denen eine momentan hohe Infektiosität ausgeschlossen werden soll, weil viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, können Antigen-Schnelltests eine sinnvolle Ergänzung weiterer Hygienemaßnahmen darstellen.“