Corona: Arbeit im Einzelhandel nicht gefährlicher
Apotheken, Lebensmittelgeschäfte, Drogeriemärkte: Trotz aller Restriktionen in der COVID-19-Pandemie für andere Branchen und die Gesellschaft insgesamt läuft der Betrieb in bestimmten Einzelhandelsbetrieben unverändert weiter. Die Mitarbeiter wurden dafür öffentlich als „Helden“ beklatscht (richtiger wäre: „Heldinnen“, denn in diesen Branchen wird die Arbeit vor allem von weiblichem Personal gestemmt): Dies geschah erstens, weil sie die Bevölkerung in der Corona-Krise mit lebenswichtigen Gütern versorgen. Und zweitens, weil dort das Infektionsrisiko wegen der hohen Zahl von Kundenkontakten als besonders hoch galt. Ohne am Glanz dieser Leistung kratzen zu wollen, holt eine Studie die Situation im Einzelhandel jetzt dennoch auf den Boden der Tatsachen herunter – und gibt vorsichtig Entwarnung.
„Keine erhöhte Infektionsgefährdung durch SARS-CoV-2-Virus“
„Bei der Arbeit im Einzelhandel kommt es nicht zu einer erhöhten Infektionsgefährdung durch das SARS-CoV-2-Virus“: Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Untersuchung der Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik (BGHW) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Die derzeitigen Regelungen für die technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen reichten nach aktueller Kenntnis offensichtlich aus, um einen effektiven Schutz der Beschäftigten vor einer Corona-Infektion am Arbeitsplatz zu gewährleisten.
Kurze Kundenkontakte = geringes Infektionsrisiko
Aufgrund der hohen Anzahl von Kontakten mit Kunden lag zunächst die Vermutung nahe, eine Tätigkeit im Einzelhandel mit einem erhöhten Infektionsrisiko behaftet sein müsste. „Epidemiologische Daten aus unterschiedlichen Kontaktszenarien zeigten jedoch, dass kurze Kontaktdauern, wie sie im Einzelhandel typisch sind, im Allgemeinen geringere Infektionsrisiken bergen als längere Kontaktdauern“, heißt es bei der BGHW. Die Kontaktdauer von 15 Minuten, die als Grenzwert für Hochrisikokontakte gilt, werde über die Gesamtzeit einer Arbeitsschicht nicht unweigerlich erreicht. In einer Analyse von Krankenkassendaten wurde zudem festgestellt, dass Erkrankungsrisiken für den Einzelhandel insgesamt unauffällig blieben. Dies gilt laut Berufsgenossenschaft auch für diejenigen Bereiche des Einzelhandels, in denen während der Lockdown-Phasen gearbeitet wurde.
Plexiglaswände an Kassen und Theken offenbar wirksam
Als wesentlichen Faktor zur Beherrschung des Infektionsrisikos identifiziert die BG die von den Unternehmen ergriffenen Schutzmaßnahmen: „Zum Beispiel die Abtrennungen an den Kassen und Bedientheken, Abstandsregeln, die Regelungen zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen, die verstärkte Lüftung und die verstärkte Reinigung", sagt Stefan Mayer von der Präventionsabteilung der BGHW. Hinzu komme, dass alle befragten Unternehmen ein Corona-Management mit eigener Kontaktnachverfolgung genutzt hätten. „Dies hat sehr wahrscheinlich dazu beigetragen, dass Infektionen in der Regel nur auf einzelne Beschäftigte beschränkt blieben", sagt Mayer. Wenn sich Beschäftigte infiziert hätten, hätte die Ursache „für die gemeldeten Infektionen überwiegend sogar im außerbetrieblichen Bereich gelegen“.
Die Studie von BG und Bundesanstalt stützt sich auf drei Quellen: auf eine Befragung von Einzelhandels-Unternehmen durch die BGHW, die Analyse von Daten der Krankenkasse „Barmer“ zu den an Corona erkrankten Berufsgruppen sowie der Auswertung von epidemiologischen Daten durch die BAuA. Allesamt belegen sie: Das Infektionsrisiko bei der Arbeit im Einzelhandel ist nicht erhöht.
2020: Infektionszahlen im Handel sogar unterdurchschnittlich
Zwischen Mitte März und Ende Oktober 2020 erkrankten demnach etwa 0,6 Prozent der Beschäftigten des Einzelhandels an COVID-19. Demgegenüber infizierten sich im gleichen Zeitraum etwa 0,8 Prozent der Allgemeinbevölkerung. „Somit liegt der Anteil der erkrankten Beschäftigten sogar unter dem Mittel der entsprechenden Altersgruppe in der Allgemeinbevölkerung“, heißt es bei der BGHW. Bei einem Vergleich der verschiedenen Sparten des Handels in Deutschland seien keine gravierenden Unterschiede zutage getreten. So sei etwa im Lebensmitteleinzelhandel, der in allen Lockdown-Phasen geöffnet hatte, die Infektionshäufigkeit unauffällig geblieben.