Ärzte dürfen seit einigen Monaten Cannabis auf Kassenrezept verordnen, wenn andere Therapieformen versagen oder nicht in Frage kommen. Cannabis ist in Form getrockneter Blüten (Medizinalhanf), als Extrakt (Dronabinol), Fertigarzneimittel (Tetrahydrocannabinol/Cannabidiol-Spray) oder in synthetischer Form (Nabilon) erhältlich. Ein Team um den Schmerz-Spezialisten Prof. Winfried Häuser vom Klinikum Saarbrücken wertete jetzt vorliegende Studien zur Wirksamkeit der Pflanze aus.
Einbezogen wurden zwischen 2009 und 2017 erschienene Studien, in denen die Wirksamkeit der in der Hanfpflanze enthaltenen Cannabinoide in der Schmerz- und Palliativmedizin untersucht wurde. Von 750 identifizierten Arbeiten erfüllten 13 die Qualitätskriterien, darunter waren 2 Langzeitbeobachtungsstudien.
Cannabis weniger wirksam als erhofft
Eingeschränkt wirksam war THC/CBD-Spray bei neuropathischen Schmerzen. Nicht ausreichend waren die Belege für die Wirksamkeit von Dronabinol, Nabilon, Medizinalhanf oder THC/CBD-Spray bei Tumorschmerzen, rheumatoider Arthritis, Fibromyalgie, chronischer Pankreatitis sowie Übelkeit und Appetitlosigkeit im Rahmen einer Krebs-Therapie oder bei Aids. Zudem sei eine Therapie mit Cannabisprodukten mit zentralnervösen und psychiatrischen Nebenwirkungen wie Benommenheit und Schwindel verbunden, schreiben die Studien-Autoren im Deutschen Ärzteblatt.
Ihre nüchterne Schlussfolgerung: „Es besteht eine Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung der Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit von Cannabisprodukten in der Schmerz- und Palliativmedizin und den Ergebnissen von systematischen Übersichtsarbeiten und prospektiven Beobachtungsstudien nach den Standards der evidenzbasierten Medizin.“ Cannabis ist demnach weniger wirksam als erhofft.
Kassen bewilligen nicht alle Anträge
Chronische – insbesondere neuropathische – Schmerzen, Spastik bei MS sowie Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen gelten bislang als gängige Indikationen für Cannabis-basierte Medikamente. Trotz der neuen gesetzlichen Regelung bleibt es aber letztlich doch den Krankenkassen überlassen, ob sie einem Antrag zur Therapie mit Cannabis zustimmen. In der Hälfte der Fälle käme ein ablehnender Bescheid, klagen Ärzte und Patienten.
Zu Recht, meint Dr. Ursula Marschall, Leiterin der Abteilung Medizin und Versorgungsforschung bei der Barmer GEK. "Die Erwartung: mit Cannabis wird jetzt alles gut, entspricht nicht der Versorgungsrealität", sagte sie der Ärzte Zeitung. Nach ihrer Einschätzung wird von den Patienten die analgetische Potenz der Cannabispräparate häufig überschätzt, die Nebenwirkungen werden dagegen unterschätzt. "Viele werden enttäuscht sein", so die Medizinerin weiter in der ÄZ.
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