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Bundesregierung ohne Exit-Strategie

Montag, 7. Februar 2022 – Autor:
Einzelne Bundesländer planen bereits das Ende der Pandemie. Der Bundesgesundheitsminister will sich nicht festlegen und gibt den Ball an die Wissenschaft. Dabei wird der Ruf nach einer Exit-Strategie immer lauter.
Ist das noch Pandemie oder schon Endemie? Die deutsche Bundesregierung hat keine Übergangsstrategie

Ist das noch Pandemie oder schon Endemie? Die deutsche Bundesregierung hat keine Übergangsstrategie – Foto: © Adobe Stock/ Fokussiert

So chaotisch wie der Beginn der Pandemie gestaltet sich auch ihr Ende. Während einige Bundesländer bereits das Ende der Restriktionen vorbereiten, setzen andere weiter auf das volle Maßnahmen-Programm. Schleswig-Holstein will bis Ende März etwa Kontakt- und 2-Regeln abschaffen und mehr auf Eigenverantwortung setzen. Ähnliches hört man auch aus Bremen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Auf der anderen Seite gibt es die Hardliner. Baden-Württembergs Landeschef Winfried Kretschmann will vor Ostern nicht einmal über Lockerungen nachdenken, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil will noch ein paar Wochen warten.

Exit-Strategie wäre eine Perspektive die Bevölkerung

Unterdessen wird der Ruf nach einer Exit-Strategie immer lauter. Einen klugen Plan, wie  der Übergang von der pandemischen in die endemische Lage gestaltet werden kann, fordern unter anderem FDP-Chef Christian Linder und der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese, aber auch Wissenschaftler wie die Pandemieexperten Klaus Stöhr und Alexander Kekulé. Ein solcher Plan würde nicht bedeuten von heute auf morgen alle Corona-Maßnahmen abzuschaffen, sondern mit Bedacht und Fokus auf die gefährdeten Risikogruppen den Ausstieg schrittweise vorzubereiten. Eine Exit-Strategie würde der Bevölkerung nach zwei Jahren Pandemie auch endlich eine Perspektive geben.

Bundesregierung will keine Vorgaben machen

Doch weder das Bundesgesundheitsministerium noch das Robert Koch-Institut oder der Corona-Expertenrat haben bis dato einen entsprechend vorausschauenden Plan vorgelegt. Eine Exit-Strategie "von oben" fehlt also und wird es offenbar auch vorerst nicht geben, wie aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht (Die Linke) hervorgeht. Der Übergang vom pandemischen in endemisches Geschehen“ richte sich „nicht nach entsprechenden Kriterien oder Vorgaben der Bundesregierung“, sondern werde „vonseiten der Wissenschaft definiert“, zitiert „WELT“ aus dem Antwortschreiben des Ministeriums.

Strategiewechsel dringend notwendig

Vorschläge für einen sinnvollen Übergang von der Pandemie in die Endemie hat jüngst die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene vorgelegt. In einer Stellungnahme vom 24. Januar betonen die Unterzeichner, dass "ein Strategiewechsel dringend notwendig" sei. Sie argumentieren, dass die Infektionseindämmung (Containment) „ihre Effektivität in einer Phase der Hochinzidenz in einer zum Großteil durch Impfung oder Genesung immunisierten Bevölkerung verloren“ habe. Statt den Holzhammer fordern die Wissenschaftler feinere Instrumente, um weitere Kollateralschäden zu vermeiden.

Hier die zehn zentralen Forderungen der DGKH:

  1. Die massenhafte Zunahme der Omikron-Infektionen verlangt – wie im Pandemieplan vorgesehen - den Strategiewechsel vom Containment mit dem Ziel der Vermeidung jeder Infektion hin zur Protection, d.h. dem Schutz vor schweren Erkrankungen und Tod statt Schutz vor jeder Infektion.
  2. Für den Öffentlichen Gesundheitsdienst muss gelten: Priorisierung auf den effektiven Schutz der Vulnerablen und auf gezieltes Ausbruchsmanagement statt ungezielter Kontaktnachverfolgung und umfangreicher Quarantänisierung.
  3. Die Funktionsfähigkeit der Kritischen Infrastruktur und des Gesundheitswesens muss sichergestellt werden durch Wegfall inflationärer Quarantäneanordnungen und zu spätem Freitesten
  4. Generell sollten strikte behördliche Quarantäneanordnungen für Kontaktpersonen ersetzt werden durch eigenverantwortliche Symptomkontrolle und gezieltes Testen mit qualifizierten Antigen-Schnelltests bei Fortsetzung der Tätigkeit.
  5. Priorisierung und Ressourcenschonung auch bei der Teststrategie: PCR-Tests zielgerichtet im Bereich der medizinischen Versorgungsstrukturen und zur Diagnostik von Erkrankungen einsetzen.
  6. Die Schulen und Kitas müssen offen bleiben. Kinder und Schüler gehören nicht zu den vulnerablen Personengruppen.
  7. Anlassloses Massentesten bei Kindern und Jugendlichen muss beendet werden. Es führt nicht nur zu einem unnötigen Bedarf an PCR-Bestätigungstesten, die in den medizinischen Versorgungsstrukturen dringlich benötigt werden, sondern auch zu wirkungslosen und inflationären Quarantäneanordnungen, die die Kritische Infrastruktur durch die häusliche Präsenz der Eltern zusätzlich gefährden.
  8. Intensivierung der Impfkampagne im Bündel mit den etablierten Hygieneschutz- und zielgerichteten Kontaktreduktions-Maßnahmen. Impfen schützt vor Erkrankung nicht vor Infektion.
  9. Impfpflicht für besondere Gruppen nur nach konsentierten wissenschaftlichen Standards zur Schutzdauer, Schutzeffektivität und zur Wahl der Impfstoffe.
  10. Kommunikation, die praxisnahe und konkrete Empfehlungen und nicht nur Warnung in den Vordergrund stellt, sondern die Kompetenz des Einzelnen und das Vertrauen der Gesellschaft in die Präventionsstrategien stärkt.
Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Corona , Medizin
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