Die Früherkennung einer Alzheimer-Demenz macht Fortschritte: Ein neuartiger Bluttest ist in der Lage, die neurodegenerative Erkrankung im Schnitt acht Jahre vor Ausbruch der ersten klinischen Symptome nachzuweisen. Dass der Test zuverlässig ist, konnten Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Krebsregisters Saarland mit einer großen populationsbezogenen Kohortenstudie aus dem Saarland zeigen.
„Unser einfacher und kostengünstiger Bluttest kann die Erkrankung bereits in einem noch symptomlosen Stadium aufspüren und Personen identifizieren, die ein besonders hohes Risiko haben, Alzheimer zu entwickeln", berichtet Prof. Dr. Klaus Gerwert von der RUB, Koordinator des Forschungskonsortiums „PURE". Gerwert und seine Kollegen räumen zwar ein, dass es derzeit noch keine Behandlungsmöglichkeit für Alzheimer gibt. Ihrer Ansicht nach könnte sich dies jedoch bald ändern. Bislang wird Alzheimer erst dann diagnostiziert, wenn das Gehirn irreparabel geschädigt ist. Wenn aber früher eingegriffen wird, könnte sich der fatale Untergang von Hirnzellen vielleicht stoppen lassen, glauben die Forscher.
Eingreifen, bevor das Gehirn irreparabel geschädigt ist
„Möglicherweise können Medikamente, die derzeit in klinischen Studien erprobt werden, das Fortschreiten der Krankheit aufhalten, wenn sie in diesem frühen Stadium angewandt würden", sagt Prof. Hermann Brenner, der im DKFZ die Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung leitet. Auch die Entwicklung neuartiger Therapieansätze wird nach Meinung der Experten von diesem frühzeitigen Bluttest enorm profitieren.
Wie funktioniert der Test? Alzheimer ist durch Fehlfaltungen des Amyloid-β-Proteins gekennzeichnet, die bereits 15 bis 20 Jahre vor Auftreten der ersten Symptome beginnen. Die fehlgefalteten Proteine verklumpen und lagern sich als Amyloid-Plaques im Gehirn ab. Der in Bochum entwickelte Test, kann nun genau diese Plaques im Gehirn nachweisen. Dazu bestimmen die Forscher das Verhältnis von gesunden zu krankhaften Formen der Amyloid-β-Proteine mittels Immuno-Infrarot-Sensor Technologie. Die beiden Strukturen absorbieren Infrarotlicht mit unterschiedlicher Frequenz, sodass der Bluttest das Verhältnis von gesundem zu pathologischem Amyloid-β in der Probe bestimmen kann.
Forschung mit Probanden
Wie sind die Forscher vorgegangen? Zunächst prüften die Forscher den Test an Patienten, die an einem Vorstadium (Mild Cognitive Impaired, MCI) der Alzheimer-Krankheit mit nicht eindeutigen kognitiven Beeinträchtigungen litten. In diesem frühen Stadium kann die Krankheit bislang nur mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) oder anhand veränderter Biomarker in der Rückenmarksflüssigkeit nachgewiesen werden. Doch wie die aktuelle Studie zeigt, kann auch der neu entwickelte Bluttest das MCI-Stadium der Krankheit erkennen.
Im nächsten Schritt wollten die Forscher herausfinden, ob sich die Amyloid-β-Veränderungen im Blut noch früher, also schon vor dem klinischen Ausbruch der Krankheit, erkennen lassen. Dazu verwendeten sie Blutproben, die im Rahmen der ESTHER-Studie gewonnen worden waren. Die Kohortenstudie, die Hermann Brenner leitet und gemeinsam mit dem Saarländischen Krebsregister durchführt, startete im Jahr 2000. Die Teilnehmer nahmen in definierten Intervallen an Nachuntersuchungen teil. Das ermöglichte es den Wissenschaftlern, das Entstehen der Erkrankung über einen langen Zeitraum von über 15 Jahren zu verfolgen.
Die Forscher untersuchten Blutproben, die bei Studieneintritt entnommen worden waren. Sie verglichen die Proben von 65 Personen, bei denen im Verlauf der Studie eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert wurde, mit 809 Kontrollen. Der Test war in der Lage, Personen ohne klinische Alzheimer-Symptome im Durchschnitt acht Jahre vor der klinischen Diagnose der Krankheit zu erkennen. Dies war in 70 Prozent der Fall.
Falsch positive Diagnosen ausschließen
Nur in 9 Prozent kam es zu einem falsch-positiven Ergebnis. Wegen dieser Fehlerquote sei der Test momentan noch nicht zur alleinigen Frühdiagnose geeignet, erläutert Gewert. „Aber er eröffnet die Möglichkeit, in einem kostengünstigen und minimal-invasiven Screening Personen herauszufiltern, die sich dann einer weiterführenden teuren und invasiven Diagnose unterziehen sollten, die ein falsch positives Ergebnis ausschließen kann." Die bisherigen diagnostischen Verfahren sind nicht für ein Screening breiter Bevölkerungsgruppen geeignet.
Derzeit verfeinern die Forscher den Bluttest, um ihn fit für ein routenmäßiges Screening zu machen.
Foto: „Quelle: K. Gerwert, A. Nabers/RUB".