Blutdrucksenker können alten Menschen mehr schaden als nutzen
Hoher Blutdruck ist schädlich und eine Gesundheitsgefahr. Darum nehmen Millionen Menschen täglich blutdrucksenkende Medikamente. Der protektiver Effekt dieser Mittel wurde durch etliche Studien belegt, doch noch nie an einer Zielgruppe getestet: Sehr alte und gebrechliche Menschen, die mehrere Krankheiten haben und mehrere Medikamente einnehmen, sind von den einschlägigen Arzneimitelstudien ausgeschlossen. Dabei sind über 80-jährige die am stärksten wachsende Patientengruppe in den Industrienationen. Und diejenigen, die überproportional häufig Blutdrucksenker einnehmen.
Studie mit hochbetagten und multimorbiden Patienten
Nun haben Wissenschaftler der Universität Bern und der Universität Leiden genau diese Patientengruppe ins Visier genommen und einen bemerkenswerten Fund gemacht: Blutdrucksenkende Medikamente fördern den Gedächtnisabbau und erhöhen sogar das Sterberisiko.
Die Studie schloss alle Bewohner der niederländischen Stadt Leiden ab 85 Jahren ein, also auch solche, die in Pflegheimen leben, multimorbide sind oder an Demenz leiden. Die Forscher konnten bei den knapp 600 untersuchten Personen nachweisen, dass die Gesamtsterblichkeit und der kognitive Abfall höher waren, je tiefer der Blutdruck durch Blutdruckmedikamente gesenkt wurde. Dieser Zusammenhang bestand nur bei Menschen, die Blutdrucksenker einnahmen, und besonders bei denjenigen, die gebrechlich waren.
Therapie nicht nach Leitlinie, sondern nach Augenmaß
Wie die Forscher im Fachmagazin «Age and Ageing» berichten, werden damit Hinweise aus verschiedenen Beobachtungsstudien bestätigt und gleichzeitig die geltenden Blutdruckrichtlinien in Frage gestellt. Und: „Bei Hausärzten setzte sich bereits im Vorfeld immer mehr die Überzeugung durch, speziell bei gebrechlichen Patienten eine zusätzliche blutdrucksenkende Therapie nur nach individueller Abschätzung von Nutzen und Risiko zu empfehlen», sagt Studienleiter Sven Streit vom Institut für Hausarztmedizin der Universität Bern (BIHAM). „Nun konnten wir belegen, dass sie damit richtig lagen – entgegen den offiziellen Empfehlungen.“
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