Biologisch jünger: Forscher optimieren Immunsystem

Blutbildende Stammzellen manipuliert: Forscher haben eine Verjüngungskur fürs Immunsystem gefunden
Techniken, die zur Heilung von Krankheiten eingesetzt werden, haben grundsätzlich das Potenzial, in die Biologie des Menschen einzugreifen. Warum also sollten sie nicht zur Optimierung von Gesunden genutzt werden, damit wir schöner, stärker und leistungsfähiger werden oder es trotz Alter bleiben? Der Historiker Yuval Harari sagt, dass längst daran gearbeitet wird. Und er hat Recht. Forschern aus Ulm ist es jetzt gelungen, das Immunsystem zu verjüngen. Zwar nur am Mausmodell – doch Tiermodelle sind immer der erste Schritt für jeden medizinischen Fortschritt.
Blutbildende Stammzellen spielen große Rolle
Das Immunsystem zu verjüngen, hat natürlich einen medizinischen Nutzen. Im Alter lassen die Abwehrkräfte nach, was Senioren anfälliger für Infektionen wie Lungenentzündungen macht. Auch die Grippeimpfung wirkt dann nicht mehr so gut, weil die Immunantwort im Alter schwächer wird. Warum das so ist? Lange Zeit galt die Rückbildung der Thymusdrüse, in der wichtige Immunzellen reifen, als Hauptursache. Die Forschergruppe des Universitätsklinikums Ulm hat jedoch einen anderen Auslöser im Blick: blutbildende Stammzellen. Die Immunologen und Stammzellforscher sprechen von einem „Wartungsdienst“ des Körpers, der unter anderem für die Regeneration von Blut- und Immunzellen sorgt. Doch auch dieser Wartungsdienst lässt mit dem Alter nach und kann seinen „Reparaturauftrag“ nicht mehr so gut erfüllen.
Verjüngungskur in Studie überprüft
In früheren Arbeiten hat der Ulmer Stammzellforscher Professor Hartmut Geiger bereits gezeigt, dass blutbildende Stammzellen im Alter auf ein anderes Signalsystem umstellen, was Chaos im „Wartungsbetrieb“ auslöst. Mithilfe der pharmakologischen Substanz Casin lässt sich diese Umstellung jedoch rückgängig machen und blutbildende Stammzellen funktionieren wieder wie in jungen Jahren.
In ihrer aktuellen Studie haben die Ulmer Forscher ein Knochenmarks-Transplantationsmodell genutzt, um zu untersuchen, inwiefern die Alterung blutbildender Stammzellen tatsächlich die Leistungsfähigkeit des Immunsystems beeinflusst. Dazu haben sie Stammzellen aus dem Knochenmark älterer und junger Mäuse isoliert. Ein Teil der älteren Zellen sind daraufhin der von Geiger beschriebenen „Verjüngungskur“ unterzogen worden.
Anschließend wurden die alten, jungen und verjüngten blutbildenden Stammzellen transgenen Mäusen übertragen, die über kein eigenes Immunsystem verfügen. Bereits nach zwölf Wochen konnten die Forschenden die Leistungsfähigkeit der Abwehrsysteme überprüfen, die aus den Transplantaten entstanden waren – unter anderem untersuchten sie die Impfreaktion. „Bei der Impfung werden bekanntlich unschädliche Varianten von Erregern verabreicht, woraufhin das Immunsystem Abwehrzellen bildet. Im Infektionsfall helfen diese bereits vorhandenen Abwehrzellen dabei, rasch auf Bakterien oder etwa Viren zu reagieren. Die Impfreaktion kann also Auskunft über die Funktionsfähigkeit der körpereigenen Abwehr geben“, erklärt Dr. Hanna Leins, Erstautorin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Molekulare Medizin. Im Modell konnten die Forschenden die erfolgreiche Verjüngung der blutbildenden Stammzellen und infolgedessen des Abwehrsystems nachweisen: Die Impfreaktionen des jungen und des aus verjüngten Stammzellen entstandenen Immunsystems erwiesen sich nämlich als gleich stark. Erwartungsgemäß reagierte das Abwehrsystem aus alten Stammzellen wesentlich schwächer auf die Impfung.
„Können die Uhr zurückdrehen“
„Insgesamt belegen unsere Ergebnisse die wichtige Rolle der blutbildenden Stammzellen bei der Alterung des Immunsystems. Altern diese Stammzellen, kann sich das Abwehrsystem nicht mehr ausreichend regenerieren. Der Organismus wird anfälliger für Infektionen“, sagt Professor Reinhold Schirmbeck, Gruppenleiter an der Universitätsklinik für Innere Medizin I. „Im Modell haben wir aber auch gezeigt, dass wir die Uhr zurückdrehen können: Die Verjüngung gealterter Stammzellen kann die Immunkompetenz im Alter wiederherstellen“, so Stammzellexperte Hartmut Geiger.
Er und sein Team hoffen, dass die neuen Erkenntnisse langfristig zu einem gesünderen Altern beitragen und die Erfolge von Impfungen oder der Immuntherapie bei Krebserkrankungen im Seniorenalter verbessern. Die Forschungsarbeit wurde kürzlich im Journal „Blood“ veröffentlicht.
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