Biologika: Der Patientennutzen ist entscheidend
Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) prüft das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) derzeit den Nutzen von Biologika bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), wenn Standardtherapien versagen, die so genannte Zweitlinientherapie. Eine solche Nutzenbewertung schreibt das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) vor. Ein Zusatznutzen muss nachgewiesen werden, wenn die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die neuen Medikamente erstatten sollen. In einem Vorbericht liess das IQWiG Ende Juni 2012 verlauten, dass die neun zugelassenen Biologika grösstenteils einen Zusatznutzen im Vergleich zu herkömmlichen Therapien zeigten. Eine endgültige Bewertung steht aber noch aus.
Unterdessen haben Rheumaexperten das Vorgehen des IQWiG scharf kritisiert. Denn das Institut berücksichtigt bei seiner Nutzenbewertung die Ergebnisse des deutschen Biologika-Registers RABBIT nicht. Das Register schliesst fast 11.000 Menschen mit rheumatoider Arthritis (RA) und anderen rheumatischen Erkrankungen ein. "Eine solch überzeugende Datenlage methodisch abzulehnen, können wir als rheumatologische Fachgesellschaft nicht verstehen", erklärt Professor Dr. med. Jürgen Braun, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Die Ergebnisse des RABBIT-Registers seien nicht nur in Bezug auf den Nutzen der Biologika eindeutig, sondern auch bezüglich der Sicherheit, was nicht nur im Hinblick auf Begleiterkrankungen wichtig sei. Auch alters- und geschlechtsspezifische Gesichtspunkte berücksichtigt das Register.
Rheumaexperten fordern, die Versorgungsforschung in die Nutzenbewertung einzubeziehen
Die RABBIT-Daten zeigen, dass die Sterblichkeit der mit Biologika behandelten Patienten im Vergleich zu konventionellen Therapien geringer ist. Die Zahl schmerzhafter, geschwollener Gelenke nehme im historischen Vergleich zu den Daten von vor zehn Jahren ab. Zudem konnten Ärzte und Patienten Glukokortikoide einsparen - Beides ein Zeichen einer im Mittel geringeren Krankheitsaktivität, erklären die DGRh-Experten. Biologika vermindern damit auch Folgeerkrankungen wie Herz- und Gefässleiden und eine dadurch bedingte kürzere Lebenserwartung bei RA-Patienten. "Leider hat das IQWiG seine negative Haltung zu Registern trotz dieser Fakten bei der vor wenigen Tagen erfolgten Experten-Anhörung nochmals bekräftigt", sagt Professor Dr. med. Klaus Krüger, Sprecher der Kommission Pharmakotherapie der DGRh, München.
Das IQWiG berücksichtigt ausschliesslich Direktvergleiche und plazebokontrollierte Studien. Jedoch entsprechen nur etwa ein Drittel der Probanden in Zulassungsstudien der ‚real life'-Studienpopulation des RABBIT-Registers. "Die Datenbewertung des IQWiGs spiegelt den Nutzen für RA-Patienten daher nur partiell und insgesamt nicht realitätsnah wider", warnt Braun. Bei chronisch erkrankten Rheuma-Patienten mit regelmässigen Entzündungsschüben sei es ethisch nicht vertretbar, Doppelblindstudien durchzuführen, damit sie das IQWiG berücksichtigt. Gerade im Hinblick auf vom IQWIG selbst geforderte Daten zur Sterblichkeit und (Ko)Morbidität müssten die europäischen Registerdaten beachtet werden. "Daher fordert die DGRh, dass das IQWiG auch Ergebnisse der Versorgungsforschung in seine Bewertung einbezieht", betonte Braun.
Bei Biologika handelt es sich um gentechnisch hergestellte Medikamente. Eine Biologika-Therapie kostet die Krankenkassen bis zu 20.000 Euro pro Jahr und Patient.
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