Bestimmte Laborwerte sagen schweren Covid-Verlauf voraus
Anhand bestimmter Blut- und Urinwerte können Ärzte heute relativ genau bestimmen, welche Patienten später auf die Intensivstation verlegt werden müssen. Eine deutsche Studie belegt nun den Nutzen eines speziellen diagnostischen Algorithmus.
Studie bestätigt Hypothese
Die Studie wurde bereits vor einem Jahr an der Universitätsklinik Göttingen aufgelegt. Grundlage war die Hypothese, dass sich an bestimmten Urinwerten Hochrisikopatienten für schwere COVID-19-Verläufe erkennen lassen. Die Studienergebnisse zeigen nun, dass die Urinwerte in Kombination mit einer Blutuntersuchung bereits bei der stationären Aufnahme vorhersagen, ob eine Intensivtherapie notwendig werden könnte.
Drei Kategorien beziffern das Risiko
Das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs wurde abhängig von den Urin- und Blutbefunden in drei Kategorien klassifiziert: niedriges, mittleres oder hohes Risiko. Bei normalen Urin- und Blutbefunden gilt das Risiko demnach als niedrig, bei auffälliger Urinanalyse mit normalen Blutwerten als mittel. Ein Hohes Risiko besteht demnach dann, wenn der Urin auffällig und das Serumalbumin pathologisch ist ( <2 g/dl und/oder AT III <70%). Ein auffälliger Urinbefund war definiert als Anurie oder mindestens zwei pathologische Urinwerte (Osmolarität bzw. spezifisches Gewicht, Leukozyturie, Hämaturie, Albuminurie/Proteinurie).
In die Pilotstudie waren 145 Patienten eingeschlossen. Bei ihnen wurden am Tag der Krankenhauseinweisung Urinanalysen durchgeführt sowie die Serumalbuminkonzentration und die Antithrombin-III-Aktivität gemessen. Primärer Studienendpunkt waren die Zeit bis zur Aufnahme auf die Intensivstation oder bis zum Tod.
Auffälliger Urin ist Vorhersagemarker
43 Patienten hatten bei der stationären Aufnahme ein niedriges, 84 ein mittleres und 18 ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf. Im Ergebnis war eine auffällige Urinanalyse signifikant mit einem höheren Risiko für eine Intensivbehandlung oder Tod assoziiert: 63,7 versus 27,9 Prozent, in der Hochrisikogruppe sogar zu 100 Prozent.
Patienten mit pathologischem Urinstatus mussten häufiger künstlich beatmet werden (44% versus 14%), benötigten häufiger eine vollständige Lungenersatztherapie (extrakorporale Membranoxygenierung/ECMO: 10,8% versus 2,3%) oder eine Nierenersatztherapie (30,7% versus 11,6%).
Nierenparameter Seismograph für Covid-19-Verlauf
„Zusammenfassend zeigen die Daten, dass SARS-CoV-2-assoziierte Urinauffälligkeiten, kombiniert mit zwei einfachen Blutwerten bei der stationären Aufnahme eine Abschätzung erlauben, ob sich die Erkrankung weiter verschlechtert, der Krankheitsverlauf also gefährlich wird oder sogar eine Intensivtherapie notwendig wird“, so Studienleiter Prof. Dr. Oliver Gross von der Klinik für Nephrologie und Rheumatologie der Universitätsmedizin Göttingen. Prinzipiell bestätigten die Daten den Stellenwert von Nierenparametern als Seismograph für den COVID-19-Verlauf.
Die Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Prof. Julia Weinmann-Menke aus Mainz, begrüßt die neuen Erkenntnisse, weil Kliniken mit den einfach zu messenden Laborwerten potentielle Risikopatienten früher identifizieren können. Somit sei der Bedarf an intensivmedizinischen Ressourcen nun etwas besser planbar.
Neben der Universitätsmedizin Göttingen waren auch die Unikliniken Hamburg, Köln und Aachen an der Studie beteiligt.