Die Zahl der Hochbetagten in Deutschland steigt. Doch es gibt große regionale Unterschiede, wie Forscher des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) jetzt belegen konnten. Für ihre Untersuchung hatten die MPIDR-Forscher Daten von extrem Langlebigen aufbereitet, die zwischen 1989 und 2002 ein Alter von 105 oder mehr erreicht hatten, also Ende des 19. Jahrhunderts geboren worden waren. Zu den extremen Hotspots für Langlebigkeit gehören demnach Berlin und Hamburg. Die Hauptstadt liegt 59 Prozent über dem Bundesdurchschnitt und die Hansestadt sogar 72 Prozent darüber. Aber auch wer in Hannover oder Schleswig-Holstein geboren wurde, hatte große Chancen 105 Jahre oder älter zu werden. Dagegen hatten Menschen aus Brandenburg und Bayern deutlich weniger Chancen ein biblisches Alter von 105 plus zu erreichen. Die beiden Länder lagen bis zum Jahr 2002 um 30 bzw. 50 Prozent unter Bundesdurchschnitt.
Metropolen bieten besseren Zugang zu medizinischer Versorgung
Dass die nördlichen Großstädte teilweise inselartig herausragen, findet Geodemograf Sebastian Klüsener vom MPIDR höchst erstaunlich. Schließlich seien die Großstädte in den beiden Weltkriegen von Hungersnöten und Bombardierungen stark betroffen gewesen. „Die besseren wirtschaftlichen und medizinischen Bedingungen scheinen die Kriegsfolgen aber mehr als ausgeglichen zu haben“, sagt Klüsener. „Metropolen bieten besonders für sehr alte Menschen höhere Überlebenschancen, wozu der gute Zugang zu medizinischer Versorgung beitragen könnte.“
Ob Berlin allerdings ein Hotspot der Hochbetagten bleiben wird, bezweifeln die Demografen. In den letzten 40 Jahren konnten Hauptstädter weder bei Geburt noch im Alter von 65 Jahren mit überdurchschnittlich vielen (weiteren) Lebensjahren rechnen. Erst ab einem Alter von 80 Jahren sind den Demografen zufolge die Erwartungen dort besser als für den Durchschnittsdeutschen. Und noch etwas spricht aus Sicht der Forscher dagegen. Denn die Lebenserwartung bei Geburt sei seit Mitte des 20. Jahrhunderts nicht mehr im Norden, sondern im Süden Deutschlands am höchsten.
Die meisten Hochbetagten starben in der Nähe ihres Geburtsorts
In ihrer Studie “Hot Spots of Exceptional Longevity in Germany”, die im Vienna Yearbook of Demography erschienen ist, machten die Forscher noch einen weiteren bemerkenswerten Fund: Die meisten extrem Alten starben dort, wo sie geboren wurden – oder jedenfalls nicht weit davon. „Die Höchstaltrigen scheinen überraschend sesshaft gewesen zu sein“, sagt Klüsener. Etwa ein Drittel der Hochbetagten seien an ihrem Geburtsort verstorben und etwa die Hälfte der Uralten habe am Lebensende nicht weiter als 25 Kilometer von ihrem Geburtsort entfernt gewohnt. „Obwohl das 20. Jahrhundert voller Turbulenzen und Verwerfungen war, war der Lebensmittelpunkt für die meisten Höchstaltrigen zu Beginn und zum Ende des Lebens fast identisch“, so Klüsener. „Diese beiden Phasen sind für die Überlebenswahrscheinlichkeit besonders relevant“.
MPIDR-Demograf Rembrandt Scholz findet es darum „sinnvoll, nach Ursachen für die außergewöhnliche Langlebigkeit an diesen Orten zu forschen“. Die Frage, ob Sesshaftigkeit zu einem Überlebensvorteil führt, konnten die Forscher mit den vorhandenen Daten allerdings nicht beantworten.
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