Arzneimittelpreise steigen unaufhörlich

Arzneimittelhersteller verlangen saftige Preise. Besonders krass ist der Preisanstieg bei Krebsmedikamenten
Als „bittere Pille für das Gesundheitswesen“ bezeichnete der KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit die Entwicklung der Arzneimittelpreise, als er am Donnerstag eine Analyse seiner Kasse in Berlin vorstellte. „Wir verfolgen die Entwicklungen auf dem Arzneimittel-Markt mit großer Sorge“, sagte er. „Bald zahlen Krankenkassen wieder mehr für Medikamente als für die gesamte ärztliche Behandlung.“ Allein zwischen 2007 und 2014 seien die Kosten für Arzneimittel bei der KKH um mehr als ein Drittel gestiegen. Diese Tendenz gehe unaufhaltsam weiter. So sei die Zahl der patentgeschützten Originalpräparate um 23 Prozent gesunken, die Kosten im selben Zeitraum aber um 31 Prozent gestiegen. „Das heißt nichts anderes, als dass Pharmafirmen für ihre Originalpräparate immer höhere Preise verlangen, um ihre Gewinne zu maximieren“, so Kailuweit.
Kasse wirft Pharmafirmen Profitmaximierung vor
Eigentlich sollte das 2011 eingeführte Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) helfen, langfristig die Kosten zu senken oder diese wenigstens auf stabilem Niveau zu halten. Doch offensichtlich verfehlt das Gesetz seine Wirkung. Laut der KKH-Analyse sparen die Kassen statt der geplanten zwei Milliarden Euro nur 500 Millionen Euro pro Jahr.
Dem Gesetz nach können die Hersteller im ersten Jahr nach Markteinführung die Preise für neue Arzneimittel selbst festlegen. Anschließend geht es in die Preisverhandlung mit den Kassen. Hier muss der Hersteller einen Zusatznutzen vorweisen, um mehr als das Übliche für das Medikament verlangen zu können. Laut Kailuweit gibt es aber genügend Beispiele dafür, „dass trotz der im Gesetz vorgeschriebenen Nutzenbewertung auch Medikamente ohne Zusatznutzen zu teuer auf den Markt kommen.“
Mitunter tricksen Pharmafirmen das Gesetz dadurch aus, dass sie mit Ablauf der Ein-Jahres-Frist Nachfolgepräparate auf den Markt bringen, die dann häufig noch teurer sind als das erste Präprat. Als Beispiel nannte Kailuweit das Hepatitis C-Medikament Sovaldi und dessen Nachfolger Harvoni.
Vermarktung teurer als Forschung
Pharmafirmen rechtfertigen die Preise mit den hohen Forschungs- und Entwicklungskosten. Die KKH-Analyse rechnet allerdings vor, dass die Firmen häufig doppelt so viel für die Vermarktung ausgeben als für die Forschung. Allein für die direkte Vermarktung seien rund 15.000 Pharmaberater eingesetzt, die jedes Jahr ungefähr 20 Millionen Besuche bei Ärzten durchführten. „Der Profitmaximierung der Pharmaindustrie zu Lasten des solidarisch finanzierten Gesundheitssystems müsse wirksam begegnet werden“, forderte der KKH-Vorstand. „Wir brauchen noch in dieser Legislaturperiode ein AMNOG 2.0."
Zweifel am Zusatznutzen
Das sieht der Vorstandsvorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ähnlich. Wolf-Dieter Ludwig erteilte im gestrigen Tagesspiegel einer rein marktwirtschaftlich orientierten Preispolitik die Absage und forderte die Politik zum Eingreifen auf. Für Krebsmedikamente würden inzwischen abenteuerliche Summen verlangt, denen kein nachweisbarer Nutzen gegenüberstünde. Ludwig stützt sich unter anderem auf eine Untersuchung des National Cancer Institutes, in der die Kosten-Nutzen-Relation von 51 zugelassenen Krebsmedikamenten analysiert wurde: „Diese Ergebnisse widerlegen nachdrücklich die von Industrieseite häufig genannten Gründe für die sehr hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung“, schreibt der Arzneimittelspezialist im Tagesspiegel „ und belegen, dass die aktuelle Preisgestaltung nicht rational erfolgt, sondern eher widerspiegelt, was der Markt bereit zu zahlen ist.“
Foto: © Gina Sanders - Fotolia.com