Arm, aber nicht sexy: Experten warnen vor "Verborgenem Hunger"
Der weltweit erste Kongress zum Thema „Verborgener Hunger“ (Hidden Hunger) in Stuttgart fand nahezu zeitgleich mit dem Kongress „Armut und Gesundheit“ in Berlin statt. Das Timing Anfang März war zwar Zufall, aber beide Kongresse wiesen auf ein und dasselbe Thema hin. Armut macht krank. Statistisch gesehen werden arme Menschen häufiger krank und sterben früher. Mangelernährung ist einer der wesentlichen Gründe dafür. Denn wer arm ist, kann sich oft nur billige Lebensmittel leisten, die in erster Linie Kalorien, aber kaum Mikronährstoffe wie etwa Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente enthalten.
Fast-Food liefert Kalorien, aber kaum Vitamine und Mineralstoffe
Experten zufolge sind weltweit 2,5 Milliarden Menschen von "verborgenem Hunger" betroffen. Gemeint sind Menschen, die zwar nicht an Hunger leiden, aber die mit ihrer minderwertigen Nahrung zu wenige lebenswichtige Mikronährstoffe aufnehmen. Diese Form der Mangelernährung könne verheerende Folgen haben, hieß es auf dem Kongress Hidden Hunger in Stuttgart. Eine chronische Unterversorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen mache sich meist nicht sofort bemerkbar, schwäche jedoch langfristig den Körper und begünstige auf Dauer die Entstehung von zahlreichen Krankheiten.
Hidden Hunger
Den Experten zufolge sind von dem Phänomen des verborgenen Hungers auch immer mehr Menschen in Deutschland und anderen Industrienationen betroffen. Die wachsende Armut hierzulande verschärfe das Problem. In Deutschland drohe, so Prof. Hans-Konrad Biesalski vom Fachgebiet Ernährungswissenschaft der Universität Hohenheim, die wachsende Armut den "verborgenen Hunger" zu etablieren. Besonders Kinder aus armen Familien seien von einer chronischen Unterversorgung mit Mikronährstoffen wie etwa Vitamin A, Folsäure (B-Vitamin), Vitamin D, Eisen, Zink und Jod betroffen.
Bis zu 16 Millionen Menschen leben in Deutschland in Armut
„Hierzulande fehlt in erster Linie alleinerziehenden Müttern und verarmten Senioren oft das Einkommen, um sich dauerhaft eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung leisten zu können“, mahnte der Ernährungswissenschaftler Konrad Biesalski und appellierte an Politik und Gesellschaft Auswege aus der Spirale von Armut und Mangelernährung zu prüfen.
Gemäß einer UNICEF-Studie wachsen in Deutschland 1,2 Millionen Kinder in relativer Armut auf. Insgesamt leben in Deutschland laut Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz (NAK) bis zu 16 Millionen Menschen in Armut. Langzeitarbeitslose sind hierzulande besonders häufig von Armut bedroht. Auch die Zunahme schlecht bezahlter Jobs im Niedriglohnbereich führen immer mehr Menschen in Armut. Bei Alleinerziehenden mit Kindern bis drei Jahren liegt das Armutsrisiko über 50 Prozent. Bei Menschen mit niedriger Schulbildung und ohne berufliche Ausbildung lebt jeder vierte an oder unter der Armutsgrenze. In diesen Gruppen tritt laut Biesalski besonders häufig verborgener Hunger auf.
Foto: DAK/Schläger