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Angeborener Herzfehler: Erwachsene häufig unterversorgt

Donnerstag, 28. Juni 2018 – Autor: anvo
Die Deutsche Herzstiftung und die Deutsche Stiftung für Herzforschung warnen vor einer Unterversorgung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH). Eine bundesweite Kampagne soll EMAH sensibilisieren, ihre spezielle lebenswichtige Nachsorge nicht zu vergessen.
Angeborener Herzfehler, EMAH, Deutsche Herstiftung

Patienten mit angeborenem Herzfehler benötigen lebenslang eine fachspezifische medizinische Versorgung

In Deutschland leben rund 300.000 Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler, kurz EMAH. Pro Jahr steigt ihre Zahl um ca. 6.500. Von den EMAH werden derzeit viele Zehntausende nicht ausreichend medizinisch beraten und versorgt. Oft sind die Betroffenen nicht gut über ihren Herzfehler informiert, viele nehmen die teils lebensnotwendige Nachsorge nicht wahr oder werden von Ärzten betreut, die keine ausreichende Erfahrung mit angeborenen Herzfehlern (AHF) besitzen.

„Damit riskieren die Betroffenen, Anzeichen für schwerwiegende Spätkomplikationen zu übersehen. Hierzu gehören Herzschwäche, Herzversagen, Lungenhochdruck, Herzinnenhautentzündungen oder Herzrhythmusstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod“, warnen der Vorsitzende der Deutschen Herzstiftung, Professor Thomas Meinertz, sowie Professor Harald Kaemmerer und Dr. Rhoia Neidenbach vom Deutschen Herzzentrum München (DHM), und fügen hinzu: „Für fast alle EMAH ist deshalb im Erwachsenenalter eine kontinuierliche, fachärztliche Weiterbehandlung durch einen EMAH-spezialisierten Kardiologen oder Kinderkardiologen lebenswichtig. Außerdem sollten frühzeitig geeignete gesundheitsfördernde Maßnahmen ergriffen werden, die den Langzeitverlauf günstig beeinflussen.“

Nach Herzfehlerbehandlung ist gute Nachsorge wichtig

Die große Mehrheit der AHF kann heute durch Operationen oder Kathetereingriffe so gut behandelt werden, dass sich die meisten Betroffenen normal entwickeln und ein nahezu normales Familien- und Berufsleben führen können. „Patienten – manchmal sogar auch der behandelnde Arzt – wiegen sich daher über viele Jahre in trügerischer Sicherheit, bis es zu bedrohlichen Komplikationen kommt. Viele Patienten wissen auch nicht oder verdrängen, dass auch noch Jahre nach einer zunächst erfolgreichen Herzfehlerbehandlung Spätkomplikationen eintreten können“, so Kaemmerer. Alarmiert sind EMAH-Spezialisten wie er von der Tatsache, dass bei Betrachtung der Leistungszahlen von EMAH-Praxen und -Zentren ca. 200.000 der EMAH – also rund 80 Prozent der Betroffenen – nicht an einer spezialisierten Versorgung teilnehmen.

Informationskampagne für Erwachsene mit angeborenem Herzfehler

Um dieser bedenklichen Entwicklung gegenzusteuern, haben sich die Deutsche Herzstiftung und EMAH-Spezialisten der EMAH-Zentren und -Praxen zum Ziel gesetzt, mit einer bundesweiten Informationskampagne (www.emah-check.de) Betroffene für die lebensnotwendige EMAH-zertifizierte Nachsorge zurückzugewinnen. „Diagnose: Herzensangelegenheit – jetzt den EMAH-Check machen!“ lautet daher das Motto der längerfristig angelegten Kampagne. Deutschland verfügt über ein im internationalen Vergleich erstklassiges Versorgungssystem für Menschen mit AHF. Neue Medikamente, moderne kathetergestützte und herzchirurgische Therapieverfahren können EMAH zu einer besseren Lebensqualität und Prognose verhelfen. „Wir müssen verhindern, dass Patienten wegen Wissenslücken über den eigenen Herzfehler, schlechten Erfahrungen mit Ärzten ohne EMAH-Expertise oder wegen der Distanz zum nächsten EMAH-Spezialisten ihre Nachsorge versäumen oder gar ihr Leben riskieren“, betont Professor Meinertz.

Eine Schlüsselfunktion kommt bei Ansprache von EMAH den Haus- und Allgemeinärzten zu, betont die Deutsche Herzstiftung. Sie können und sollten die Betroffenen in eine EMAH-zertifiziert kardiologische Praxis oder Ambulanz, weiterverweisen und so die Behandlungskontinuität sichern. „Wir begleiten die Betroffenen teils lebenslang. Darüber hinaus müssen wir auch die Hausärzte, Allgemeinärzte sowie andere Fachärzte wie Internisten oder Geburtshelfer, sensibilisieren, die neue EMAH-Patientengruppe einer herzfehlerspezifischen Versorgung zuzuführen und alle erforderlichen und verfügbaren präventiven Maßnahmen zu nutzen“, so die Experten vom DHM.

Angeborene Herzfehler erfordern lebenslange medizinische Begleitung

Bisher sind etwa 40 verschiedene angeborene Herzfehler (AHF) bekannt: Das können Veränderungen an den Herzkammern, an den Herzklappen oder an den Trennwänden zwischen den Herzkammern (Loch in der Herzscheidewand) sein. Selbst bei einfachen, nach Operation häufig als harmlos eingestuften Herzfehlern können sich mit zunehmendem Alter schwerwiegende Probleme einstellen, mit denen man bislang nicht gerechnet hat. Zusätzlich zum AHF entwickeln sich im Erwachsenenalter erworbene Herzerkrankungen wie koronare Herzkrankheit (Durchblutungsstörungen des Herzmuskels, die zum Herzinfarkt führen kann), Herzklappenfehler und andere Organerkrankungen an Lunge und Nieren. Diese erworbenen Zusatzerkrankungen beeinflussen den Herzfehler und umgekehrt.

„Die EMAH-Behandlung unterscheidet sich nicht selten deutlich von der Behandlung eines Herzpatienten mit einer erworbenen Herzerkrankung oder anderen Organerkrankungen“, unterstreicht EMAH-Spezialist Kaemmerer. Nicht nur Betroffene, sondern auch Ärzte und Beschäftigte in der medizinischen Versorgung sollten sich über die Besonderheiten bei der Versorgung von EMAH informieren. Auch wenn sich viele EMAH über viele Jahre beschwerdefrei fühlen: die Mehrheit der EMAH ist nicht dauerhaft geheilt, sondern muss neben herzfehlerspezifischen Problemen mit Folgen für ihre Lebensqualität, ihre Leistungs- sowie Arbeitsfähigkeit und Prognose rechnen. Eine sorgfältige Nach- und Vorsorge kann dabei helfen, Befinden und Prognose der Betroffenen zu verbessern.

Foto: © Fabio Balbi/fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
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