Alterung des Immunsystems Ursache für schwere Covid-Verläufe
Es klingt ein bisschen paradox: Ältere Personen haben in ihrem Leben schon zahlreiche Infektionen durchlebt und ein Immungedächtnis gegen viele Erreger aufgebaut. Trotzdem sind sie häufiger von schwerer von Infektionskrankheiten betroffen, wie die Corona-Pandemie eindrücklich zeigt: In keiner anderen Altersgruppe ist die Sterberate so hoch wie bei den über 70-Jährigen.
Luka Cicin-Sain, Leiter der Abteilung „Virale Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) sieht darin jedoch keinen Widerspruch. Das Immungedächtnis (Gedächtniszellen) gegen Erreger, denen ältere Personen in der Jugend begegnet sind, könne durchaus auch im Alter erhalten bleiben, sagt er. Vielmehr ginge aber die Fähigkeit, neue Erreger und Antigene zu erkennen, zunehmend verloren. Grund sei, dass zu wenige neue naive Zellen entstünden, die für die Erkennung von neuen Erregern zuständig sind.
Altern wird durch den Verlust von Stammzellen bestimmt
Verantwortlich dafür ist, dass im Laufe des Älterwerdens die Zahl der Stammzellen in unserem Körper sinkt. Stammzellen sind aber der Motor für die Zellerneuerung. Altern, so Cicin-Sain, werde wesentlich durch den Verlust von Stammzellen bestimmt. „Das betrifft insbesondere das Immunsystem, wo die weißen Blutzellen ständig erneuert werden.“
Lymphozyten erneuern sich kaum noch
Die Lymphozyten gehören zu den weißen Blutzellen und sie sind Träger der adaptiven Immunantwort, jenem Bollwerk des Körpers, das Infektionserreger erkennen und beseitigen kann. Durch Stammzellen erneuern sich die Lymphozyten immer wieder. „Im Alter lässt diese Funktion jedoch nach und unser Immunsystem erkennt immer weniger Antigene. Dies bedeutet, dass eine Immunreaktion im Alter träge wird – sowohl gegen Impfstoffe als auch gegen Infektionen“, so der Immunologe.
Bester Zeitpunkt für Auffrischungsimpfung noch unklar
Ob darum für ältere Menschen eine Auffrischungsimpfung unbedingt schon nach sechs Monaten sinnvoll ist, ist laut Cicin-Sain aber immer noch nicht ganz klar. Nur eines sei ziemlich sicher, dass die Immunität auch bei jüngeren Menschen im Laufe der Zeit absinkt – mit dem Unterschied, dass ältere Gruppen einen niedrigeren Ausgangwert hätten. „Somit erreicht die abnehmende Immunität bei Seniorinnen und Senioren schneller den Schwellenwert, bei dem das Immungedächtnis für einen guten Immunschutz nicht mehr ausreicht.“
Allerdings unterscheidet sich das Immunsystem von Mensch zu Mensch. Bei Älteren sind diese Unterschiede sogar noch größer als bei Jüngeren. Die Gründe sind noch nicht aufgeklärt. Jedoch spielten auf jeden Fall molekularer Stress und oxidative Prozesse eine erhebliche Rolle in Alterungsprozessen, so Cicin-Sain, „weil sie zu DNA-Schäden führen, die dann die Funktion von Stammzellen beeinflussen.“
Quelle: HZI