Affenpocken breiten sich rasant aus: Was den Ausbruch von der Corona-Pandemie unterscheidet
Anfang Mai wurde in London der erste Fall von Affenpocken registriert. In rascher Folge kamen weitere Fälle auf vier Kontinenten hinzu. In Deutschland wurde der erste Fall am 19. Mai diagnostiziert. Bis zum bis 24. Mai wurden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 250 bestätigte Fälle gemeldet. Von Einzelfällen kann also keine Rede mehr sein, vielmehr von einem weltweiten Ausbruch. Die große Frage ist: Gelingt es den Ausbruch zu begrenzen?
Rasches und konsequentes Handeln gefordert
Medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften aus Deutschland, darunter die Deutsche Gesellschaft für Virologie, die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie, die STIKO und die Deutsche AIDS-Gesellschaft, haben am Freitag eine gemeinsame Stellungnahme vorgelegt. Gefordert wird ein „rasches und konsequentes Handeln.“ Vieles davon liest sich wie ein wie ein Déjà vu, etwa wenn von der Isolation von Infektionsfällen, der Quarantäne für enge Kontaktpersonen und Verdachtsfälle oder der Risikominimierung bei zwischenmenschlichen Kontakten die Rede ist.
Doch es gibt entscheidende Unterschiede zur Coronavirus-Pandemie: Das Affenpockenvirus wird über direkten Haut- oder Schleimhaut-Kontakt oder eine Tröpfcheninfektion übertragen, nicht über Aerosole, soweit man bisher weiß. Außerdem gibt es bereits einen Impfstoff gegen Pockenviren und es gibt ein antivirales Medikament, das in der EU zur Behandlung von Affenpockenvirus-Infektionen zugelassen ist.
Ausbruch betrifft bisher vor allem junge Männer
Auch wenn das Affenpockenvirus jede und jeden treffen kann, so haben sich beim aktuellen Ausbruch bislang schwerpunktmäßig jüngeren Männern infiziert, die angaben, Sex mit Männern zu haben. Das erinnert an den Ausbruch der AIDS-Epidemie in den 1980er Jahren. Aber es gab auch bereits Übertragungen innerhalb der Familien. Man nimmt an, dass Menschen, die früher gegen Pocken geimpft wurden, zumindest vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt sind.
Die Fachgesellschaften schlagen darum eine „zielgruppenspezifische und Lebenswelt-akzeptierende Aufklärung und Information“ vor. Insbesondere nicht Pocken-geimpfte Personen ohne Impfbescheinigung oder Impfnarben sollten Kontakte zu wechselnden Sexualpartnern oder das Teilen von Betten und Kleidung meiden, heißt es.
21 Tage Isolation
Desweiteren sollten Infizierte für die Dauer von 21 Tagen in „wirksamer Isolation“ verbleiben. Kontaktpersonen mit relevantem Infektionsrisiko und Verdachtsfälle sollten sich während der Inkubationszeit bzw. bis zum sicheren Ausschluss der Infektion in Quarantäne begeben. Die Nachverfolgung von Kontaktketten sei aufgrund der langen Inkubationszeit von ein bis drei Wochen jedoch „herausfordernd.“
Pockenimpfung könnte Renaissance erleben
Nach Einschätzung der Wissenschaftler könnte eine Impfung im Umfeld bekannter Infektionscluster das Ausbruchsgeschehen erheblich begrenzen. Der Impfstoff, mit dem einst die Pocken ausgerottet wurden, ist in den USA und Kanada auch zur Prävention von Affenpocken zugelassen. Allerdings basiert die Zulassung lediglich auf Tierstudien. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA und die Ständige Impfkommission (STIKO) müssten nun prüfen, ob eine Impfung einen relevanten Beitrag zur Erhöhung des Schutzes vor Infektion und Erkrankung leisten könne, so die Fachgesellschaften. Parallel sollte die Verfügbarkeit geprüft und die Beschaffung der Impfstoffe in ausreichenden Mengen vorbereitet werden.
Antivirale Medikamente für alle
Weiter fordern die Wissenschaftler, antivirale Medikamente bereit zu stellen. Zwar seien die bisher bekannten Fälle mild verlaufen, doch vulnerable Gruppen wie etwa Patienten mit einer Immundefizienz benötigten eine therapeutische Option. Derzeit ist in der EU mit Tecovirimat ein antivirales Medikament für die Behandlung der Affenpockeninfektion zugelassen, eine Alternative stellt das nicht zugelassene Virostatikum Brincidofovir dar. Die Verfügbarkeit beider Medikamente müsse sichergestellt werden, so die Wissenschaftler. Die Behandlung sollte in infektiologischen Schwerpunktbehandlungszentren erfolgen.