Aerosol-Experte: „Ansteckung im Freien kaum möglich”

Es wird wärmer, es ist Ostern, und vor allem Kinder verbreiten – oft zu Hause – die neue, hochinfektiöse Variante des Coronavirus: Im Gegensatz zu vielen Politikern plädiert der Aerosol-Experte Gerhard Scheuch dafür, das Freie zu suchen und Räume zu meiden. Seine Devise: „Open-Air statt Lockdown“. – Foto: WeltN24 GmbH
Aerosole in Innenräume wie Büros oder Wohnungen sind das Problem – selbst wenn dort keiner (mehr) ist und man sich in Sicherheit wiegt: Vor dieser unsichtbaren, aber trotzdem konkreten Gefahr hat jetzt der Aerosol-Experte Gerhard Scheuch gewarnt. Ansteckungen im Freien dagegen „sind einfach bei dieser Pandemie kaum oder überhaupt nicht möglich“, sagte Scheuch im Interview mit dem „WELT Nachrichtensender“. Der frühere Präsident der „Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin" plädiert deshalb gegen die zu Ostern verhängten Kontaktbeschränkungen im Freien und für die Strategie „Open-Air statt Lockdown“.
Innenräume: Ansteckung, ohne dass man einen treffen muss
„Ich glaube, man unterschätzt diese Gefahr durch die Aerosole, weil man sich gar nicht direkt treffen muss“, sagte Physiker Scheuch bei WELT-TV. Ein Ansteckungsszenario könne sein: Man geht in ein Büro, das der Kollege vor einer Stunde verlassen hat und denkt, hier ist niemand. Man setzt sich an den Schreibtisch, arbeitet – und steckt sich unerklärlicherweise an. „Sie merken überhaupt nicht, dass, dass diese Aerosole da sind. Und das ist eben das Tückische. Aber dieses Tückische passiert nur in Innenräumen. Im Außenbereich kann das nicht passieren.“
„Was Viren überhaupt nicht leiden können, ist UV-Strahlung“
Scheuch wies in dem WELT-TV-Interview auch darauf hin, dass das immer wärmer werdende Wetter sowie die an Kraft gewinnende Sonne die Sicherheit im Freien noch verstärke. „Was Viren überhaupt nicht leiden können, ist UV-Strahlung“, sagte Scheuch. „Die gehen also nach wenigen Sekunden kaputt. Sie halten sich nur, glaube ich 190 Sekunden, wenn sie in UV-Strahlung behandelt werden.“ Durch die eine zunehmende Sonneneinstrahlung würden die Coronaviren immer inaktiver.
„Über Ostern sehr oft im Freien bewegen“
Zusätzlich würden die Viren in der frischen Luft sehr rasch verteilt: „Sie können sich da nicht anstecken. Deswegen wirklich Open-Air statt Lockdown.“ Der Rat des Aerosolexperten für die Feiertage: „Wir sollten uns möglichst gerade jetzt über Ostern sehr, sehr oft im Freien bewegen. Dann wird auch die Ansteckungsrate zurückgehen.“
In Innenräumen Außenraumbedingungen schaffen
Weil ein Aufenthalt in Innenräumen unvermeidlich ist, rät Aerosol-Experte Scheuch dazu, in Räumen Bedingungen zu schaffen, die den Außenraumbedingungen entsprächen: „Also Luftfilteranlagen einsetzen, immer wieder lüften, lüften, lüften und natürlich die Maske in Innenräumen nicht absetzen, wenn man sich mit Leuten trifft, sondern sie am besten auflassen.“
Öffnen plus testen: „Modellprojekte wichtig und zielführend“
Trotz Bedenken und Zaghaftigkeit seitens vieler Politiker unterstützte der Wissenschaftler im Interview mit dem „WELT Nachrichtensender“ ausdrücklich die aktuellen Modellprojekte zur Lockerung des Lockdowns in Städten wie Tübingen oder dem Saarland als erstem komplettem Bundesland. Diese Projekte seien „sehr, sehr wichtig und zielführend“, sagte Scheuch. Eine Öffnung der Außengastronomie etwa führe dazu, dass sich mehr Menschen im Freien aufhielten. Die Kontaktreduzierung müsse in Innenräumen erfolgen. „Kontaktreduzierung im Außenraum bringt überhaupt nichts.“