Wie lassen sich chronische Wunden am besten heilen?
Die Wundheilung sei signifikant schlechter, wenn Patienten sich unwohl fühlen, Schmerzen oder Stress haben, betonte Augustin. „Nach anfänglicher Schmerzdiagnostik muss die etwaige Schmerzeinstellung sofort begonnen werden, um Leid zu lindern und die Therapie zu verbessern. Man kann kein Bein wickeln, wenn die Schmerzen zu groß sind. Außerdem hemmt der Schmerz per se die Wundheilung.“
Zudem sollte die psychische Verfassung des Patienten überprüft werden. „Hierzu haben wir in einer internationalen Arbeitsgruppe einen Fragebogen erstellt, mit dem man schnell erkennen kann, wo Beeinträchtigungen der Lebensqualität vorliegen und welche Maßnahmen nötig sind“, heißt es weiter in dem MMW-Interview.
Chronische Wunden: Patienten einbeziehen
Außerdem gebe es neue Konzepte, den Patienten zu miteinzubeziehen. Augustin berichtet über ein von den Kassen finanziertes Projekt in Hamburg. Dort werde in digitalen Visiten über sechs Monate der Heilungsverlauf einer Wunde geprüft.
„Die Patienten erhalten ein Foto-Handy. Derjenige, der den Verband wechselt, macht jede Woche ein Foto von Wunde und Wundauflage, und der Patient schickt uns das über eine datengesicherte Internetverbindung zusammen mit einem Schmerzscore zu“, so der Mediziner.
Chronische Wunden: Mehr Kompressionstherapie
Bei der venösen Ulzera gebe es eine hohe Evidenz für die Kompressionstherapie. Auch die Effektivität der feuchten Wundbehandlung mit hydroaktiven Auflagen gelte als gesichert. „Wenn wir in der praktischen Versorgung den Anteil dieser beiden Maßnahmen erhöhen, ist viel gewonnen.“ Nur etwa 40 Prozent der Patienten mit Ulcus cruris venosum und eindeutiger Indikation erhielten Kompressionsstrümpfe oder -bandagen. Dieser Anteil sei zu gering, sagte er in MMW.
Beim diabetischen Fußulkus sei die hyperbare Sauerstofftherapie als hinreichend wirksam belegt. Hochgradig empfohlen werde hier auch die Druckentlastung sowie die Einstellung der Grunderkrankung, sagte der Direktor des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen am UKE.
Chronische Wunden heilen am besten bei koordinierter Versorgung
Wunden heilten besser, wenn sie koordiniert und leitliniengerecht versorgt werden. „Für eine gute Versorgung brauchen wir im Schnitt 5,8 ärztliche und 4,1 verschiedene nicht-ärztliche Disziplinen pro Patient“, so August. Die dafür nötige Zusammenarbeit gewährleisteten spezialisierte Wundzentren, von denen es in Deutschland etwa 50 gibt.
Hilfreich bei der Kommunikation sei auch die Telemedizin. Eine randomisierte Studie aus Dänemark habe gezeigt, dass die telemedizinische Beratung aus spezialisierten Zentren an den Behandler vor Ort die Abheilungsraten signifikant erhöht.
Chronische Wunden: Zusammenarbeit von Arzt und Patient
Oft stagnierten Wunden, obwohl die Wundpflege gut sei, der Patient Zuwendung erhielte und der Schmerz eingestellt sei: „Die Maßgabe ist hier, sich zeitlich und inhaltlich klare Ziele zu setzen, offensiver auf diese Ziele hinzuarbeiten und deren Erreichen zu überprüfen. Wenn stringenter und zielorientierter behandelt wird, sind Heilungsquoten und -geschwindigkeit besser. Zudem ist jeder Patient froh, wenn er ein Ziel vor Augen hat und merkt, dass sein Arzt dieses auch verfolgt."
Foto: Andre Bonn