Psychische Erkrankungen entstigmatisieren
Patienten mit psychischen Erkrankungen leiden nicht nur unter den Symptomen ihrer Krankheit selbst, sondern auch unter den negativen Vorurteilen ihrer Umwelt. So haben, wie erst kürzlich eine in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte Studie gezeigt hat, mehr als zwei Drittel aller Patienten mit Depressionen bereits Erfahrungen mit Diskriminierungen in irgendeiner Form gemacht. Mehr als ein Drittel berichtete, von anderen Menschen aufgrund ihrer Erkrankung gemieden zu werden.
Um diese Situation zu verbessern und das Verständnis für Menschen mit psychischen Erkrankungen zu erhöhen, hat das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit mit der Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit ein Konzept zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen in den Medien und in der Gesellschaft entwickelt. Dazu gehören auch Projekte, die das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit mit dem Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V. (BApK) und dem Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen e.V. (BPE) durchführt. Mit Schulungen und Workshops sollen Betroffene und Angehörige als Akteure in die Medienarbeit der Verbände einbezogen werden.
Psychisch Erkrankte berichten von ihren Erfahrungen
So will der BApK mit dem Projekt „Open the Face - Lebensgeschichten aus der Psychiatrie“ Betroffenen Mut machen, den Weg in die Öffentlichkeit zu gehen. Das Konzept sieht vor, Betroffene zu befragen und deren ganz persönliche Erfahrungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ziel der Kampagne ist es, die Erfahrungen im Umgang mit Stigmatisierung durch das soziale Umfeld sichtbar zu machen und einen selbstbewussten Umgang der Betroffenen mit ihrer Erkrankung zu fördern. Im vergangenen Herbst starteten die ersten eintägigen Workshops; sie werden noch bis 2014 in verschiedenen deutschen Städten fortgeführt.
Das zweite Projekt zur Förderung der Medienkompetenz in der Selbsthilfe wird durch den Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen (BPE) durchgeführt. Mit insgesamt acht Veranstaltungen in 2013 und 2014 werden Kompetenzen wie Pressemitteilungen, Bürgerfunk oder Interviewführung trainiert. Dabei geht es nicht nur um persönliche Erfahrungen mit der Krankheit, sondern auch darum zu zeigen, wie wichtig die gesellschaftliche Teilhabe für psychisch Erkrankte ist.
Folgen von Stigmatisierung oft dramatisch
„Diskriminierung und Ausgrenzung psychisch kranker Menschen stehen im Mittelpunkt der medialen Antistigma-Arbeit in allen Selbsthilfeorganisationen“, kommentiert Prof. Dr. Wolfgang Gaebel, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit, die Kampagne. „Das hohe Engagement von BApK und BPE und der Austausch mit verschiedenen Selbsthilfeorganisationen in unserem Aktionsbündnis sowie die Diskussion mit den Fachgesellschaften waren wichtige Garanten in der Entwicklung und der erfolgreichen Durchführung beider Projekte.“
Obwohl sich nach Meinung von Experten in letzter Zeit einiges in der Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen getan hat, beklagen die meisten doch, dass sich Medien, Politik und Arbeitgeber immer noch zu wenig für die Belange Betroffener einsetzen. Und die Folgen von Stigmatisierung und Diskriminierung können dramatisch sein. Denn oft hält die Angst vor Benachteiligung Patienten sogar davon ab, professionelle Hilfe zu suchen. Zudem trauen sich viele Betroffene nicht, enge persönliche Beziehungen mit anderen Menschen einzugehen. Viele Patienten fürchten die Stigmatisierung sogar so sehr, dass sie sich deshalb nicht um einen Arbeitsplatz bewerben. 71 Prozent der Betroffenen ziehen es vor, ihren Mitmenschen nichts von ihrer Erkrankung zu erzählen.
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