Magersucht unter jungen Mädchen hat zugenommen

Nahrungsverweigerung bei Magersucht: Das positive Gefühl entsteht durch den Verzicht
Essstörungen wie Magersucht und Bulimie haben im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr junge Frauen in ein Krankenhaus gebracht als noch in 2012. Davon war jede vierte Patientin jünger als 15 Jahre. Das hat die KKH Kaufmännische Krankenkasse anhand ihrer Versichertendaten festgestellt. Die Krankenkasse spricht von einer „alarmierenden Entwicklung“, nachdem die Zahl der ambulant behandelten Essstörungen zwischen 2006 und 2013 leicht rückläufig gewesen war. Der Krankenkasse zufolge waren in 95 Prozent der Fälle Frauen betroffen. Rechnet man die Daten auf alle gesetzlich Versicherten hoch, mussten in 2013 rund 140.000 Personen wegen Magersucht oder Bulimie ärztlich behandelt werden, 8.000 davon stationär.
Magersucht wird meistens durch mehrere Faktoren ausgelöst
Magerwahn, Model-Wettbewerbe, verzerrte Schönheitsideale will die Krankenkasse als Ursache für die alarmierende Entwicklung dingfest machen. Experten zufolge gibt es aber gar nicht die eine Ursache für Magersucht (Anorexia nervosa). So kann eine genetische Veranlagung ebenso Auslöser sein wie psychologisch-familiäre Ursachen. Gesellschaftliche Ursachen wie verzerrte Schönheitsideale sind daher allenfalls ein Teil eines äußerst komplexen Zusammenspiels aus Umwelt und Persönlichkeit. Da Magersucht häufig in der Pubertät beginnt, gehen Ärzte davon aus, dass viele junge Mädchen ihren reifenden Körper und ihre zukünftige Rolle als Frau ablehnen. Durch das Hungern wirken vor allem die Mädchen ihren körperlichen Veränderungen entgegen, ihre Figur bleibt mädchenhaft und ab einem bestimmten Untergewicht setzt sogar die Menstruation aus. Weiter können einschneidende negative Erlebnisse, etwa ein gestörtes Verhältnis zur Mutter, oder ein einengender Erziehungsstil den Anstoß für die gefährliche Hungerkur geben.
Emotionen werden anders verarbeitet
Auch Hirnforscher beschäftigen sich mit Magersucht und erklären sie unter anderem mit einem (krankhaft) veränderten Belohnungssystem. „Patienten mit Magersucht verarbeiten ihre Emotionen anders als gesunde Menschen“, erklärt Prof. Stefan Ehrlich von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie des Universitätsklinikums Dresden. Als Beispiel nennt der Neurobiologe das allseits bekannte Verhalten, sich durch Essen selbst zu belohnen oder zu motivieren. „Bei Patientinnen mit Magersucht dagegen funktioniert es genau umgekehrt. Das positive Gefühl entsteht durch den Verzicht auf Nahrung.“ Die dafür verantwortlichen hochkomplexen neuronalen Netze im Gehirn untersucht Ehrlich derzeit unter anderem per Magnetresonanztomographie. Für den Forscher steht fest: Neuronale Netzwerke, die für Gefühle, die bei Belohnungen entstehen, dürften bei der Magersucht eine entscheidende Rolle spielen.
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