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Diskussion um Vierte Impfung: Immunologe hält häufiges Boostern für kontraproduktiv

Freitag, 1. April 2022 – Autor:
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plädiert für eine vierte Impfung der über 60-jährigen. Gleichzeitig warnt er vor gefährlicheren Varianten als Omikron. Macht es Sinn, das Pulver jetzt schon zu verschießen? Ein Immunologe widerspricht dem Minister.
Irgendwann ist das Immunsystem gesättigt: Die zweite Booster bringt nicht mehr so viel wie der erste

Irgendwann ist das Immunsystem gesättigt: Die zweite Booster bringt nicht mehr so viel wie der erste – Foto: © Adobe Stock/ nmann77

Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sollte sich jeder ab 60 ein viertes Mal gegen das Coronavirus impfen lassen. Oder anders gesagt. Ein zweites Mal boostern lassen. Wie so oft in der Pandemie stützt sich der Minister auf Daten aus Israel. Danach reduziere die vierte Impfung die Sterblichkeit in dieser Altersgruppe  im Vergleich zur dritten Dosis noch einmal um fast 80 Prozent, gibt Lauterbach bekannt, wenn der erste Booster vier Monate nach dem zweiten erfolge. Eine vierte Impfung ab 60 werde jetzt von der EU geprüft: „Die Daten aus Israel sprechen klar dafür“, so Lauterbach.

Immunreaktion nach vierter Impfung schwächer als nach dritter

Die Daten aus Israel  zeigen aber auch, dass die vierte Impfdosis nicht mehr denselben Effekt hat wie die dritte. Der erste Booster senkte die Sterblichkeit demnach um 99 Prozent im Vergleich zur zweiten Impfung. Mehr geht praktisch nicht.

Prof. Andreas Radbruch von der Charité blickt auf dieselben Daten und kommt zu anderen Schlussfolgerungen als Lauterbach. Für den Immunologen belegen die Daten nämlich, dass die Immunreaktion nach der vierten Impfung schon drastisch schwächer ausfällt als nach der zweiten und dritten. Mit jedem Booster werde die Immunantwort schwächer, sagt der Experte. Nach der sechsten Impfdosis wird seiner Meinung nach "gar nichts mehr passieren."

„Immunologisch ist das Pulver verschossen“

„Unser Immunsystem ist dann gesättigt“, erklärt Radbruch. Der gleiche Impfstoff in gleicher Konzentration bewirke nichts mehr. „Damit ist dann immunologisch das Pulver verschossen.“ An die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe würden daran nichts ändern, meint der Experte. „Es wäre klüger, die vierte Impfung in Reserve zu halten, für den Fall einer neuen, gefährlicheren Corona-Variante“, so Radbruch.

Gegen eine vierte Impfung spricht seiner Meinung nach auch das Risiko-Nutzen-Verhältnis. Laut israelischen Daten klagen klagten 40 Prozent der zweifach Geboosterten über unangenehme Nebenwirkungen am ganzen Körper wie etwa Gelenk- oder Muskelschmerzen. „Vereinfacht kann man sagen: Das Immunsystem reagiert umso giftiger, je häufiger es geärgert wird“, sagt Radbruch.

Wie sinnvoll ist die Impfflicht?

Karl Lauterbach verfolgt noch einen zweiten Plan: Die Impfpflicht. Die wird es laut Radbruch eher erschweren, auf künftige Wellen zu reagieren, weil eine „maximale Immunität“ keine Handlungsspielräume mehr zulasse. Wenn gefährlichere Varianten auf ein gesättigtes immunologisches Gedächtnis stießen, werde es vom Immunsystem keine Reaktion mehr geben. „Man ist dann nicht mehr vor Infektionen geschützt.“ Allerdings bleibe der Schutz vor schweren Krankheitsverläufen über Jahre erhalten - und das schon nach dem ersten Booster.

Hauptkategorie: Corona
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