Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Zwei neue Behandlungsansätze bei schwerer Neurodermitis

Montag, 13. September 2021 – Autor:
Leichtere Fälle von Neurodermitis können äußerlich behandelt werden. Bei schwereren Fällen kann eine medikamentöse Behandlung nötig werden. Dermatologischen Fachverbänden zufolge gibt es eine neue Generation von Arzneimitteln, die wirksam und gut verträglich sind: Die „antikörperbasierte Therapie“ zählt dazu – und die mit „JAK-Inhibitoren“.
Neurodermitis: Frau kratzt sich an geröteter Hautpartie in der Ellenbeuge.

Neurodermitis: An der chronisch-entzündlichen Erkrankung der Haut leiden in Deutschland etwa 3,5 Millionen Menschen. Viele davon sind Kindern. – Foto: AdobeStock/Astrid Gast

Schuppen, Entzündungen und rote Flecken auf der Haut, Trockenheit und Juckreiz: Dies sind typische Symptome, mit denen Neurodermitis-Patienten zu kämpfen haben. Rund 3,5 Millionen Menschen in Deutschland sind von dieser chronisch-entzündlichen Hauterkrankung betroffen – besonders viele davon sind Kinder. Für schwerere Fälle stehen jetzt zwei neue Medikamententypen zur Verfügung, die beides in sich vereinigen sollen: eine hohe Wirksamkeit – und eine gute Verträglichkeit: spezifische Antikörper und sogenannte kleine Moleküle. Darauf weisen die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) und der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) anlässlich des Welt-Neurodermitis-Tages am 14. September hin.

Schwere Neurodermitis: Schlaflose Nächte, Diskriminierung am Tag

Was bedeutet Neurodermitis im Alltag für die Betroffenen? „Die Symptome können bei einer schweren Ausprägung die Lebensqualität der Betroffenen massiv mindern“, sagt Ralph von Kiedrowski, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD). „Nachts stören Juckreiz und Schmerzen den Schlaf und die sichtbaren Hautveränderungen werden von manchen im sozialen Umfeld als ‚abstoßend‘ wahrgenommen, was zu einer Stigmatisierung führen kann.“

Was tun bei leichter Neurodermitis?

Neurodermitis (fachsprachlich: atopische Dermatitis/„AD“, atopisches Ekzem) kann verschiedene Dimensionen haben. Bei eher milden Formen kann sie gut mit äußerlich wirkenden („topischen“) Medikamenten behandelt werden. Hierzu zählen Cremes und Lotionen, die feuchtigkeitsspendend und rückfettend wirken, die Schutzfunktion der Haut verbessern und den Juckreiz lindern, indem sie leicht betäubend wirken (Wirkstoff: Polidocanol).

Medikamentöse Behandlung bisher durch Immunsuppresiva

Ist die Neurodermitis mittelschwer bis schwer und die topische Behandlung nicht erfolgreich, können „systemische“, also innerlich wirkende medikamentöse Therapien nötig werden. Zur Behandlung einer schweren atopischer Dermatitis setzen Ärzte auf Immunsuppressiva. Diese die Immunantwort der Körper dämpfenden Medikamente sollen die akuten Entzündungsprozesses abschwächen. Bei allen Erfolgen könnte diese Therapievariante aufgrund von Nebenwirkungen aber nur zeitlich begrenzt zum Tragen kommen, sagt Michael Hertl, Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und Direktor der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Marburg.

Neurodermitis: „In die Therapie ist Bewegung gekommen“

In jüngster Zeit ist laut DDG aber „Bewegung in das Behandlungsspektrum gekommen“. Die Fachgesellschaft spricht von einer „neuer Ära“, die vor allem durch Wirkstofftypen bestimmt wird: antikörperbasierte Therapien (sogenannte Biologika, die aber als sehr kostspielig gelten); und JAK-Hemmer (sogenannte kleine Moleküle).

Neue Neurodermitis-Medikamente/1: Antikörper-Therapie

Der Wirkstoff „Dupilumab“ ist als erstes Biologikum zur Behandlung von mittelschweren bis schweren Verläufen zugelassen, außerdem für Jugendliche und sogar Kinder ab sechs Jahren. Bei mindestens 60 Prozent der Patienten wirke das Präparat sehr gut, sagt Dermatologe Hertl. Auch wenn man nicht von einer Heilung sprechen könne, so seien die Reduktion des Juckreizes, die Verbesserung des Hautbildes und das verbesserte Schlafvermögen ein großer Erfolg. Im Sommer 2021 hat auch ein zweiter Wirkstoff die Zulassung erhalten: Tralokinumab. Weitere sind in Entwicklung.

Mögliche Nebenwirkungen: entzündliche Veränderungen am Auge.
Einnahmeform: alle zwei Wochen mittels Fertig-Pen oder Fertigspritze.

Neue Neurodermitis-Medikamente/2: JAK-Inhibitoren

Ein großes Potenzial bei der Behandlung von Neurodermitis trauen Experten auch den sogenannten JAK-Inhibitoren zu. Hier wurde der Wirkstoff Baricitinib Ende 2020 für Erwachsene zugelassen. JAK-Hemmer sind laut DDG kleine Moleküle, die schnell wirken, Entzündungsprozesse wirksam hemmen und den Juckreiz reduzieren. Im Unterschied zu den Biologika sind sie nicht auf einzelne Botenstoffe zugeschnitten, sondern hemmen die Signalweiterleitung in der Zelle mit dem Effekt, dass die Entzündung abklingen kann.

„Der Vorteil der JAK-Inhibitoren ist, dass wir die Inhibition schrittweise modulieren und Wirkung und Nebenwirkungen steuern können“, sagt Tilo Biedermann, Direktor der Klinik für Dermatologie der Technischen Universität München. Zwei weitere Wirkstoffe sind beziehungsweise werden demnächst zugelassen (Upadacitinib, Abrocitinib).

Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen: Entzündungen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen, erhöhte Werte der Kreatin-Kinase (Kreatin: Enzym für den Energiestoffwechsel der Muskelzellen).

Einnahmeform: Tabletten

Neue Wirkstoffe inzwischen Bestandteil der Behandlungs-Leitlinien

Laut DDG sind sich Dermatologen einig, dass diese neuen therapeutischen Optionen dann in Betracht kommen, wenn eine äußerliche Behandlung bei mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis nicht (mehr) zu einem spürbaren Erfolg führt. „Die Nachweise über die Effektivität der neuen Medikamente liegen vor“, heißt es bei der DDG. Im vergangenen Jahr wurde dieser systemische, also medikamentös-innerliche Ansatz, in die offiziellen Behandlungsempfehlungen („Leitlinie Neurodermitis“) aufgenommen.

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Dermatologie , Kinder , Organe , Haut

Weitere Nachrichten zum Thema „Neurodermitis“

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin