Zukunftsszenarien: Fachkräftemangel in der Pflege
Im Dezember 2009 waren in Deutschland 2,34 Millionen Menschen pflegebedürftig, zudem rund 3 Millionen Menschen hilfebedürftig. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird bis zum Jahr 2030 – ausweislich des Statistischen Bundesamtes – auf 3,4 Mio. ansteigen, bis zum Jahr 2050 auf rund 4,5 Millionen. Heute wird jeder zweite Mann im Laufe seines Lebens pflegebedürftig und bei den Frauen sind es ca. drei von vier.
Die Zahl der Pflegebedürftigen entwickelt sich regional sehr unterschiedlich: So wird im Zeitraum von 2009 bis 2030 die Zahl der Pflegebedürftigen in Bremen um gut 28 Prozent steigen, sich in Mecklenburg-Vorpommern mit rund 56 Prozent fast verdoppeln und in Brandenburg sogar um mehr als 70 Prozent ansteigen (Bundesdurschnitt ca. 47 Prozent). Große Steigerungsraten zeigt auch Berlin mit rund 56 Prozent. Die unterschiedliche Dynamik in den Zuwächsen hängt wesentlich von der Altersstruktur in den jeweiligen Ländern ab.
Fachkräftemangel in der Pflege
In der Studie werden drei Szenarien für die Vorausberechnungen für den Fachkräftemangel in der Pflege unterstellt: Szenario 1 schreibt den heutigen Status-Quo (Verteilung zwischen stationärer und ambulanter Pflege sowie Pflege durch Angehörige) fort. Szenario 2 unterstellt einen weiteren Rückgang in der familialen Unterstützung der Pflegebedürftigen und einen Anstieg der stationären Pflege. Szenario 3 unterstellt einen Durchbruch bei der ambulanten Pflege und keinen weiteren Anstieg der stationären Pflege. In den beiden ersten Szenarien errechnen die Forscher eine Versorgungslücke von 430.000 bzw. 490.000 Pflegekräften, die in Vollzeit arbeiten (Vollzeitäquivalente). In Szenario 3 beträgt die Versorgungslücke 260.000 Pflegekräfte, vorausgesetzt die Zahl der Pflegebedürftigen in vollstationärer Pflege bleibt konstant. Dies setzt zusätzlich voraus, dass die Familien wie im heutigen Umfang an der Betreuung der Pflegebedürftigen beteiligt sind.
Das Szenario 3 führt somit zu einer Halbierung der Versorgungslücke und hat den Vorteil, dass der Wunsch der Pflegebedürftigen nach ambulanter Betreuung Rechnung getragen wird. „Für die Verwirklichung dieses Szenarios sind aber vielfältige Anstrengungen notwendig, um die Attraktivität des Pflegeberufs zu stärken und so die Versorgungslücke zu schließen, um die Angehörigenpflege zu stabilisieren und um das zivilgesellschaftliche Engagement zu stärken, das mitwachsen muss, wenn der Anteil der ambulanten Pflege im beschriebenen Ausmaß steigen soll“, so die Autoren der Studie.
Kommunale Steuerung, Quartiersmanagement und Zivilgesellschaft von zentraler Bedeutung
Es ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen erforderlich, damit die Versorgung der wachsenden Zahl an pflegebedürftigen Menschen in Deutschland gelingen kann. Übergeordnete Bedeutung hat eine verbesserte kommunale Steuerung. Insbesondere geht es um das Management von bedarfsgerechten Wohn- und Pflegekonzepten, die dem regional unterschiedlichen Anstieg der Pflegebedürftigen Rechnung tragen. Leistungsfähige Rehabilitationsstrukturen in der Geriatrie sind zu verstärken und sektorenübergreifende Kooperations- und Vernetzungsstrukturen zwischen Pflege, medizinischer Betreuung und Rehabilitation auszubauen. Wohnungsbaugesellschaften, Pflegekassen, Kommunen und Zivilgesellschaft müssen ihre Unterstützungsprozesse besser koordinieren und aufeinander abstimmen. Diese komplexe Aufgabe erfordert eine Stärkung der Kommunen – sprich eine klarere Kompetenzzuweisung und letztlich auch eine bessere finanzielle Ausstattung, um diese Unterstützungs- und Vernetzungsstruktur vor Ort aufbauen zu können.
Die Entwicklung und Organisation solcher kommunaler Unterstützungsnetzwerke ist ein zentrales Thema des Demografiekongresses (www.der-demografiekongress.de), der am 4. und 5. September 2013 in Berlin stattfindet.