Zugriff auf das menschliche Erbgut bleibt umstritten
Die gezielte Veränderung des menschlichen Genoms galt lange als schwer erreichbar. Nun ist es so weit: Forscher aus Oregon haben mit Hilfe der Gen-Schere Crispr-Cas9 bei einem menschlichen Embryo einen Gendefekt behoben. Andere Erbgut-Teile seien dadurch nicht geschädigt worden, berichten die Forscher um Shoukhrat Mitalipov von der Universität Oregon im Magazin "Nature". Die Arbeit gilt als wissenschaftlicher Durchbruch. Hatte doch erst im Mai eine Studie des Columbia University Medical Center gezeigt, dass CRISPR/Cas9 keineswegs so präzise arbeitet wie angenommen und zahlreiche unbeabsichtigte DNA-Mutationen auslösen kann, die allen Vorausberechnungen trotzen.
Designerbaby nur noch eine Frage der Zeit?
Dieser Damm scheint nun gebrochen. Und wieder mal steht die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit solcher Experimente im Raum. Eingriffe ins Erbgut könnten künftig vermutlich etliche Krankheiten heilen, jedoch auch Embryos zu sogenannten Designerbabys optimieren, so die Befürchtung.
Klar ist aber auch, dass der wissenschaftliche Fortschritt nicht aufzuhalten ist. „Verbieten geht nicht“, sagt darum die Wissenschaftsjournalistin Daniela Remus. Da sei es besser, dass diese Forschung unter unser aller Augen passiere, „denn dann haben wir - Politik und Gesellschaft - die Möglichkeit mitzureden und einzugreifen, juristisch und ethisch“, sagte sie dem NDR. Und das sei nötig. „Heilung ja, Optimierung nein! Das aber geht nur im Dialog“, so Remus‘ Standpunkt.
Ihr Kollege Florian Breitmeier sieht dagegen unabschätzbare Folgen solcher Manipulationen. Der Eingriff in die menschliche Keimbahn könne nicht rückgängig gemacht werden und das Risiko gefährlicher Wirkungsketten zu groß, betonte der Wissenschaftsredakteur auf NDR. „Die Manipulation des menschlichen Genoms betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern möglicherweise auch seine Nachkommen. Kein Mensch aber hat das Recht, die Genetik anderer Menschen dauerhaft zu verändern“, so Breitmeier.
Grenzen zwischen Therapie und Optimierung verschwimmen
Der Deutsche Ethikrat befasst sich schon seit längerem mit der technischen Revolution Crispr-Cas9. Vergangenen Sommer war die Genschere das Thema auf seiner Jahrestagung. „Der Hoffnung, mithilfe von Genveränderungen schwerwiegende Krankheiten zu lindern, zu heilen oder sogar zu verhindern, stehen nicht nur Sicherheitsrisiken gegenüber, sondern auch die Sorge vor der Ausweitung solcher Anwendungen auf Bereiche, die die Grenze zwischen Therapie, Prävention und Enhancement verschwimmen lassen“, gibt der Ethikrat zu bedenken. In Deutschland seien Eingriffe in die Keimbahn daher bislang auch verboten.
Aus den jüngsten Experimenten an der University Oregon ging übrigens nicht das erste Designerbaby hervor. Die Embryonen wurden lediglich für Forschungszwecke genutzt und nach wenigen Tagen vernichtet. Im konkreten Fall ging es darum, eine angeborene Herzmuskelverdickung, die sogenannte hypertrophe Kardiomyopathie, mit Hilfe der Gen-Schere zu verhindern.
Foto: © rost9 - Fotolia.com