Zu viele Antibiotika, immer mehr Resistenzen
Antibiotikaresistenzen sind mittlerweile ein weltweites Problem. Entgegen allen Erwartungen, bakteriell verursachte Infektionskrankheiten mit Hilfe von Antibiotika für immer besiegt zu haben, stellen sie nach wie vor eine Bedrohung dar. Gerade in Industrienationen nehmen bakterielle Infektionserkrankungen wieder zu, weil viele Erreger resistent gegen Antibiotika geworden sind. Auch in Deutschland werden immer mehr Fälle bekannt, in denen das verschriebene Antibiotikum keine Wirkung hatte. Insbesondere in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen kommen multiresistente Erreger besonders häufig vor.
Antibiotika: bis zu 60 Prozent Fehlverordnungen
Ein Hauptgrund für die Antibiotikaresistenzen ist ihr sorgloser Einsatz. Nach wie vor werden viel zu viele Antibiotika verschrieben - überflüssigerweise. Nach Einschätzung von Michael Kresken vonder Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V. sind zwischen 40 bis 60 Prozent der Antibiotika-Rezepte in Deutschland Fehlverordnungen. Langfristig hat das fatale Folgen. Menschen sterben an lang besiegt geglaubten Infektionen, weil Antibiotika wirkungslos sind. Insbesondere Menschen mit einer geschwächten Immunabwehr zum Beispiel Frühgeborene oder alte Menschen sind gefährdet. Für sie gibt es oft keine Therapiemöglichkeit mehr.
Nach Auskunft von Prof. Dr. Norberte Suttorp, Leiter der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie an der Charité, ist in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht mit der Entwicklung neuer Wirkstoffe zu rechnen. Der Infektiologe warnt deshalb wie viele andere Wissenschaftler, dass sich die Situation in den kommenden Jahren noch weiter zuspitzen wird, wenn im Umgang mit Antibiotika nicht ein rigoroses Umdenken einsetzt. „Es geht kein Weg daran vorbei, dass wir den Antibiotika-Verbrauch drastisch reduzieren müssen“, sagt Suttorp. Neue Diagnostik-Methoden, mit denen der Arzt in kürzester Zeit bakterielle von viralen Infektionen unterscheiden kann, wären nach Ansicht des Infektiologen hilfreich, um das Verschreibungsverhalten der Ärzte zu ändern. „Damit könnte der Antibiotika-Verbrauch, der maßgeblich für die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen verantwortlich ist, signifikant gesenkt werden.“ Hausärzte greifen schon bei leichten Infekten nur allzu gerne zum Rezeptblock, auch weil der Patient es so will. Dabei sind Antibiotika gegen virale Infekte vollkommen wirkungslos.
DART: Kampfansage gegen die Resistenzentwicklung
Um die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen einzudämmen, hat die Bundesregierung 2008 die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) entwickelt. Ein zentrales Ziel von DART ist eine bessere Erhebung und Bewertung von Daten (Surveillance). „Verlässliche und regelmäßig erhobene Daten zu Antibiotikaresistenzen und zum Antibiotikaverbrauch sind Voraussetzung für gezielte Präventionsmaßnahmen“, erklärt Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch-Instituts. Das Robert Koch-Institut erfasst bei der „Antibiotika-Resistenz-Surveillance“ (ARS) Resistenzdaten aus mikrobiologischen Laboratorien. Dabei wird das gesamte Spektrum klinisch relevanter bakterieller Erreger aus der stationären und ambulanten Versorgung erfasst. „Die genaue Charakterisierung von Krankenhauskeimen, insbesondere ihrer genetischen Ausstattung, ermöglicht die Aufklärung von Infektionsketten und gibt Hinweise auf Entstehung und Verbreitungswege von Resistenzeigenschaften“, so Burger. Während den Wissenschaftlern in den letzten Jahren vor allem gram-positive Infektionserreger wie Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) und Glykopeptid-resistente Enterokokken (VRE) zu schaffen machten, stehen sie heute vor einem weiteren Problem: das zunehmende Auftreten von gram-negativen Infektionserregern, die neben anderen Antibiotikagruppen auch gegen alle ß-Laktamantibiotika resistent sind.
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