Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Zu lange Schnullern schadet der Sprachentwicklung

Mittwoch, 27. Mai 2020 – Autor:
Auch wenn er oft die Rettung ist: Irgendwann müssen Kleinkinder vom Schnuller Abschied nehmen, um vor allem drei Gefahren für die Gesundheit zu vermeiden. Eltern sollten ihr Kind in diesem oft herzzerreißenden Entwöhnungsprozess aktiv unterstützen. Ein paar erzieherische und spielerische Tipps und Tricks machen den Abschied leichter.
Baby liegt auf dem Bett und schreit - und kommt nicht an den Schnuller ran

Abschied tut weh: Vor allem bei Säuglingen ist der Schnuller ein wichtiger Gegenstand, um die Gefühlswelt auszubalancieren. Zu langes Nuckeln birgt in sich allerdings die Gefahr von gesundheitlichen Schäden. – Foto: ©Superingo - stock.adobe.com

Für Säuglinge und Kleinkinder sind Schnuller oft die beste Medizin. Sie helfen gegen Kullertränen, Angst vor der Nacht und Sehnsucht nach der Mutterbrust. Das Nuckeln an ihnen aktiviert die Beruhigungsschleifen des kindlichen Gehirns, erzeugt ein Gefühl von Nähe, Geborgenheit und Entspannung und spendet Trost. Viele Kleinkinder haben über die Nahrungsaufnahme hinaus ein starkes Saugbedürfnis. In der „oralen Phase“ erfahren Kinder ihre Gefühlswelt stark über den Mund.

Über den Saugreflex können sie ihre Gefühle mit der neuen Umgebung in Einklang bringen und Spannungen und überschüssige Energien abbauen. Hier ist der Schnuller unverzichtbar. Trotzdem müssen Kinder zu richtigen Zeit von dieser soften Form der Sucht entwöhnt werden – in der Zeit zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. Wenn Kinder zu lange am Schnuller hängen (dürfen), kann das auf kurze und sogar mittlere Sicht zu Lasten ihrer Gesundheit gehen.

Sauerstoffversorgung um bis zu 40 Prozent gedrosselt

Andrea Thumeyer, Zahnärztin in Wiesbaden und Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen nennt im Apothekenmagazin „Baby und Familie“ drei Risiken: Sprachentwicklungsverzögerungen, kieferorthopädische Probleme und eine eingeschränkte Nasen- und Mundatmung. „Die Sauerstoffversorgung der Kinder ist dadurch um bis zu 40 Prozent reduziert", erklärt die Ärztin.

Langes Nuckeln kann zu Zahnfehlstellung führen

Am Kiefer kann durch übermäßiges Schnullern ein sogenannter offener Biss entstehen. Darunter versteht die Zahnmedizin eine Zahnfehlstellung, bei der die Frontzähne beim Zusammenbiss nicht aufeinandertreffen, sondern einen Abstand aufweisen, weil die Zähne zur Mitte hin tiefer im Kiefer stecken bleiben als bei unbehindertem Zahnwachstum. Er kann einhergehen mit Zahn-Engstand, Kiefer- und Zahnfehlstellungen, Neigung zu Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, zu Sprechfehlern wie Lispeln und sogar zu Karies. Bereits wenn die ersten Milchzähne herausbrechen, kann der Schnuller Schäden verursachen.

Schnullerentwöhnung: Ab dem sechsten Monat kann es losgehen

Mit Beginn des Zahndurchbruches (ab dem sechsten Monat), wenn Kinder die ersten Zähne bekommen, wandelt sich der Saugreflex zunehmend in die Kautechnik um. Das Kind lernt jetzt vom Löffel zu essen, zu greifen, zu sprechen und beruhigt sich gerne durch Zubeißen. „Dies ist das ideale Alter, um den Schnuller abzugewöhnen“, sagt der Augsburger Kinderarzt Martin Lang. „Er sollte ab dem achten Lebensmonat durch einen Beißring oder ein beißfestes Schmusetier oder ein Schmusetuch ersetzt werden.“

Grundsätzlich raten Experten spätestens zur Schnullerentwöhnung in der Zeit zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr. Zu diesem Zeitpunkt kann der im Wachstum befindliche Kiefer eventuelle Fehlbildungen noch selbst korrigieren. Wird dieses Zeitfenster verpasst, ist laut Zahnärztin Thumeyer häufig eine langwierige kieferorthopädische, logopädische und physiotherapeutische Behandlung nötig.

Auch bei älteren Kindern: Kleinste Schnullergröße wählen

Selbst wenn sich Kleinkinder mit dem Nuckeln gut beruhigen ließen, sollten Eltern zunächst darauf achten, dass Bedürfnisse nach Nahrung, Nähe oder Schlaf befriedigt sind, rät Thumeyer. Auch sollten Eltern auch bei älteren Kindern die kleinste Schnullergröße wählen, denn: Je weniger Platz das Beruhigungsmittel aus Latex oder Silikon im Mund einnimmt, desto weniger Schaden kann es anrichten. Und Kinderarzt Peter Voitl aus Wien rät Eltern, dem Kind den Schnuller im Entwöhnungsalter nur noch kurz zu geben oder wenn es wirklich danach verlangt. Beim Schlafen und Sprechen sollte man dem Kind den Schnuller aus dem Mund nehmen und gleichzeitig vermeiden, dass mehrere Schnuller in Griffnähe des Kindes liegen.

Im Zweifelsfall: Schnuller weniger schädlich als der Daumen

Bei Kindern, die sich mit der Schnullerentwöhnung besonders schwer tun, rät Kinderarzt Voitl allerdings dazu, nicht unnötig streng zu sein und ihnen auf keinen Fall den Schnuller wegzunehmen. Denn: Auch wenn ein spätes Schnullern dem Kind schaden kann – Daumenlutschen schadet noch viel mehr. „Grundsätzlich ist ein Schnuller dem Daumen vorzuziehen“, sagt Kinderarzt Voitl. „Er ist aus einem weichen Material und in seiner Form dem Gaumen beziehungsweise größenmäßig dem Mund des Kindes angepasst. Der Daumen hingegen ist hart und nicht kiefergerecht geformt. So entstehen durch das Daumenlutschen eher schwer korrigierbare Fehlbildungen am Kiefer beziehungsweise Zahnfehlstellungen. Es ist besser, den Schnuller noch hin und wieder zu geben, bevor man ganz entwöhnt, als dass das Kind beginnt, Daumen zu lutschen.“

Für das Abschiednehmen vom Schnuller empfehlen Zahn- und Kinderärzte ein konsequentes Verhalten aber auch eine verstärkte Zuwendung der Eltern, Rituale und spielerische Momente.

Fünf Tipps und Tricks zur erfolgreichen Schnuller-Entwöhnung

  1. Mit einer Nadel ein Loch in den Schnuller stechen. Dadurch wird das Nuckeln anstrengender.
  2. Jede Woche ein bis drei Millimeter von der Schnullerspitze abschneiden. So wird der Schnuller unattraktiv.
  3. Lutschkalender: Jeder Tag ohne Schnuller wird für alle sichtbar gekennzeichnet. Mehrere Tage „ohne“ werden besonders belohnt.
  4. Schläft das Kind ohne Schnuller, kommt nachts die „Schnullerfee“. Am nächsten Morgen liegt ein kleines Geschenk am Bett.
  5. Frühzeitig von Nuckel-Trinkflaschen zu Trinkbechern mit festem Mundstück wechseln. Ein Dauernuckeln mit süßen Getränken kann überdies zur sogenannten Nuckelflaschen-Karies führen.

(Quelle: kinderärzte-im-netz.de, kinderarzt-augsburg.de)

Foto: AdobeStock/Superingo

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Kinder , Zahnmedizin

Weitere Nachrichten zum Thema Kindergesundheit

Die meisten Vergiftungsnotfälle in Deutschland ereignen sich im eigenen Zuhause. Kinder sind hiervon überdurchschnittlich stark betroffen. Die vier häufigsten Ursachen für Vergiftungen bei Säuglingen und Kleinkindern: Putzmittel, Kosmetika, Medikamente und Pflanzen.

08.01.2021

Gesunde Zähne schützt der Zahnschmelz – ein extrem hartes Material. Immer mehr Kinder haben aber viel zu weichen Zahnschmelz, sogenannte Kreidezähne. Nach einer Patientendatenanalyse der „Barmer" sind inzwischen mindestens acht Prozent aller Heranwachsenden davon betroffen. Als Ursachen in Verdacht: Mikroplastik und Kunststoff-Weichmacher aus Spielzeug oder Kosmetikprodukten.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin