Zu hohe Sauerstoffsättigung kann lebensbedrohlich werden
Sauerstoff ist lebensnotwendig. Doch eine zu hohe Sauerstoffsättigung im Blut kann lebensbedrohlich werden. Wird einem Patienten trotz ausreichender Sauerstoffsättigung im Blut künstlich Sauerstoff zugeführt, erhöht sich das Risiko für Lungenversagen, Herzinfarkte, Herzrhythmusstörungen und Organversagen. Kurzum: Die Sterblichkeit steigt.
Das berichten die Lungenärzte im Netz unter Berufung auf eine Metastudie mit über 16.000 Patienten, die wegen einer akuten Erkrankung wie Blutvergiftung, Herzstillstand oder einer schweren Verletzung im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die Studie war 2018 im Fachmagazin The Lancet erschienen und hat in der Corona-Pandemie eine ganz aktuelle Bedeutung bekommen.
Todesursache zu viel Sauerstoff im Blut
Der Auswertung zufolge erhielten 50 bis 84 Prozent der Betroffenen eine zu hohe Konzentration an Sauerstoff, egal ob die Zufuhr über eine Nasenbrille, Atemmaske oder über eine invasive Beatmung erfolgte. „Durch die Sauerstoffüberversorgung (Hyperoxämie) erhöhte sich ihr Sterblichkeitsrisiko im Krankenhaus um 21 Prozent und 30 Tage nach der Entlassung aus der Klinik um 14 Prozent, ohne dass sich andere gesundheitliche Aspekte deutlich verbessert hätten“, berichtet Dr. Thomas Voshaar, Vorstandsvorsitzender des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK) und Chefarzt des Lungenzentrums am Krankenhaus Bethanien in Moers.
Aktuelle Sauerstoffsättigung prüfen
Die Lungenärzte im Netz empfehlen daher, vor einer Sauerstoffgabe unbedingt zu überprüfen, welche Sauerstoffsättigung aktuell beim Patienten vorliegt. Das sei wichtig um eine Überversorgung mit Sauerstoff zu vermeiden, so Moer, und ganz einfach mit einem Pulsoximeter zu messen.
Ein Pulsoximeter ist ein kleiner Lichtsensor, der wie ein Clip am Finger des Patienten befestigt wird und dann anhand der Lichtabsorption beim Durchleuchten der Haut die Sauerstoffsättigung im kapillären Blut ermittelt. Bei Lungenpatienten sollten zudem auch der Kohlendioxidgehalt und der PH-Wert des Blutes bestimmt werden, um eine Atemmuskelschwäche oder akute Verschlechterung (sog. Exazerbation) möglichst frühzeitig zu erkennen.
Sauerstoff nur bei Sauerstoffmangel geben
Doch bei welchen Werten sollten Ärzte eingreifen? Ein Sauerstoffmangel liegt vor, wenn die Sauerstoffsättigung im kapillaren Blut bei unter 90 Prozent liegt. Normal sind etwa 93 bis 99 Prozent, jedoch haben sich die Fachgesellschaften noch auf keine einheitliche Definition für eine optimale Sauerstoffsättigung einigen können.
In der Lancet-Studie wird berichtet, dass sich eine zusätzliche Sauerstoffgabe bereits schädlich auswirken, wenn die Sauerstoffsättigung im Blut vor der Gabe bei 94 bis 96 Prozent liegt. Demnach steigt mit zunehmender Sauerstoffsättigung im Blut das Sterberisiko der Patienten stetig an. „Trotzdem betrachten einige Ärzte die Gabe von Sauerstoff als potentiell hilfreiche und harmlose Therapie – und zwar unabhängig davon, ob beim Patienten tatsächlich eine Unterversorgung mit Sauerstoff vorliegt oder nicht“, erläutert Dr. Voshaar. Diese Annahme ist dem Experten zufolge aber falsch. Sauerstoff sollte nur bei tatsächlicher Sauerstoffunterversorgung gegeben werden.
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