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Zeitdruck in der Arzt-Praxis beeinträchtigt Versorgungsqualität

Donnerstag, 20. April 2023 – Autor:
Ärzte haben nicht genug Zeit, um ihre Patienten angemessen zu versorgen. Das ergab eine Studie aus den USA und England. Danach bräuchten Hausärzte 26,7 Stunden am Tag, um eine durchschnittliche Anzahl von Patienten leitliniengerecht zu behandeln.
Volles Wartezimmer, wenig Zeit im Sprechzimmer: Alltag für Ärzte

– Foto: Adobe Stock/Rio Patuca Images

Ärzte haben nicht genug Zeit, um ihre Patienten angemessen zu versorgen. Das ergab eine Studie der University of Chicago, der Johns Hopkins University und des Imperial College London. Danach bräuchten Hausärzte 26,7 Stunden am Tag, um eine durchschnittliche Anzahl von Patienten nach den Leitlinien zu behandeln. Je weniger Zeit der Patient im Sprechzimmer verbringt, desto höher ist das Risiko, dass er mit einer unangemessenen Verordnung nach Hause geht. Das besagt eine weitere Studie der University of Minnesota.

Justin Porter, Studienautor der ersten Untersuchung, meint: Der Zeitdruck erkläre, warum die Verbesserung der Behandlungs-Ergebnisse nicht mit dem medizinischen Fortschritt Schritt halte. Und er beeinträchtige die Zufriedenheit der Patienten.

Zeitdruck als Mangel an Empathie und Bereitschaft gewertet

"Wenn Sie Patienten fragen, was sie an ihrer medizinischen Versorgung frustriert, hören Sie häufig: ‚Mein Arzt nimmt sich keine Zeit für mich‘ ", sagte Porter. "Dies wird oft als mangelnde Empathie oder als mangelnde Bereitschaft interpretiert. Aber die Realität  - für die Mehrheit der Ärzte - ist einfach Zeitmangel." Den Forschern zufolge ist Zeitdruck auch ein Schlüsselfaktor für Burnout bei Ärzten.

Die Studie, die 2022 veröffentlicht wurde, verwendete eine Simulation, um die Zeit pro Patient basierend auf Daten der National Health and Nutrition Examination Survey zu berechnen. Erfasst wurden alle Arten der Versorgung eines Hausarztes - präventive, akute und chronische - sowie administrative Aufgaben.

Teambasierte Versorgung könnte Zeitbedarf für den Arzt senken

Für eine durchschnittliche Anzahl von Patienten errechnete die Studie 14,1 Stunden/Tag für die Vorsorge, 7,2 Stunden/Tag für chronische Erkrankungen, 2,2 Stunden/Tag für die Akutversorgung und 3,2 Stunden/Tag für Dokumentation und Post – weit über die an einem bestimmten Tag verfügbaren Stunden.

Die Autoren schlagen als Lösungsansatz "teambasierte Pflege" vor, bei dem Krankenschwestern, Arzthelferinnen und andere bei der leitliniengerechten Versorgung helfen. Das würde die vom Arzt benötigte Zeit auf 9,3 Stunden/Tag reduzieren. Ernährungsberater etwa könnten die Ernährungsberatung für Patienten mit Diabetes oder Adipositas durchführen. 65 Prozent der ärztlichen Tätigkeiten ließen sich von Team-Mitgliedern übernehmen.

Kurzes Patientengespräch, mehr ungünstige Verschreibungen

Eine Meta-Studie von 2017 zeigte, dass Patienten aus Bangladesh im weltweiten Vergleich die kürzeste Zeit im Sprechzimmer verbringen (48 Sekunden), Patienten aus Schweden die längste (22,5 Minuten). In Deutschland lag der Durchschnittswert bei 7,5 Minuten.

Ein kürzeres Patientengespräch erhöht die Wahrscheinlichkeit einer nicht angemessenen oder problematischen Verschreibung. Das ist das Ergebnis einer weiteren Untersuchung aus den USA. Ausgewertet wurden die Daten von  4.360.445 Patienten. Besuche beim Hausarzt wegen einer Infektion der oberen Atemwege endeten nach einer kürzeren Sprechzeit eher mit einem Antibiotika-Rezept und für Schmerz-Patienten eher mit einem Rezept für Opioide oder Benzodiazepine. Senioren erhielten öfter ein für Ältere kontraindiziertes Medikament.

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