Zecken: FSME-Schnellschutz innerhalb von 14 Tagen möglich

Idylle mit Risikofaktor: Im Corona-Sommer 2020 wird es besonders viele Urlauber in die deutschen Alpen ziehen. Aber Allgäu und Oberbayern zählen als Teile von Bayern und Baden-Württemberg zum FSME-Risiko-Kerngebiet. – Foto: Alexander Rochau
Auf die Frage, welches Ziel sie in diesem Jahr für ihren Sommerurlaub habe, sagte die Bundeskanzlerin kürzlich in der ZDF-Sendung Was nun, Frau Merkel? lapidar: „Deutschland." Wohin genau, das ließ sie offen. Falls sie aber angesichts der Corona-Krise nicht in die Südtiroler Berge fährt – eines ihrer Lieblingsziele neben der Insel Ischia im Golf von Neapel – sondern womöglich in die bayerischen, sollte Sie über eine FSME-Impfung nachdenken. Und alle Urlauber, die es in den Süden der Bundesrepublik zieht, auch. Denn Süddeutschland gehört praktisch flächendeckend zu den vom Robert-Koch-Institut (RKI) ausgewiesenen Gebieten mit hohem Infektionsrisiko für „Frühsommer-Meningo-Enzephalitis" (FSME).
Zecken-Krankheiten: Impfung nur gegen FSME möglich
Der beste Schutz gegen Zecken ist Vorbeugung. Denn gegen keine der beiden von dem kleinen Spinnentier übertragenen Infektionskrankheiten existiert bisher eine ursächliche Therapie – also eine Behandlung, die die Bakterien (bei Borreliose) oder das Virus (bei FSME) im Körper eliminiert. Gegen FSME allerdings gibt es eine wirksame Schutzimpfung. Und die gute Nachricht ist: Auch wer demnächst spontan innerhalb Deutschlands Urlaub macht und noch nicht geimpft ist, kann diesen Schutz relativ kurzfristig bekommen.
Grundsätzlich gilt zwar: Für einen vollständigen und dauerhaften Impfschutz braucht man insgesamt drei Teilimpfungen. Kurzfristig kann laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) bei Bedarf aber schon durch zwei Impfungen im Abstand von 14 Tagen ein Schnellschutz gegen FSME aufgebaut werden. Die Schutzrate liegt Experten zufolge bei 95 Prozent. Eine dritte Impfung nach neun bis zwölf Monaten vorvollständigt dann die Grundimmunisierung. Dieser volle Impfschutz hält mindestens drei Jahre. Anschließend ist laut „Ständiger Impfkommission" am Robert-Koch-Institut (STIKO) eine Auffrischung nötig, wobei diesmal eine einzelne Impfdosis genügt.
Generell, so empfehlen die Apotheker, sollte der Impfschutz für eine solide und dauerhafte Grundimmunisierung je nach Lebensalter dabei alle drei bis fünf Jahre aufgefrischt werden. Die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis ist eine Entzündung von Gehirn, Hirnhäuten und Nerven. Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf können eine dauerhafte Schädigung des Nervensystems davontragen.
Smartphone-App informiert Urlauber über lokale Zecken-Gefahr
„Jede Impfung zählt, egal ob gegen FSME, Masern oder Tetanus", sagt Mathias Arnold, Apotheker aus Halle an der Saale und Vizepräsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. „Wer sich gegen Infektionskrankheiten impfen lässt, schützt sich selbst und bei von Mensch zu Mensch übertragbaren Krankheiten auch seine Familie und letztlich die gesamte Bevölkerung vor Infektionen. Gerade während der Corona-Pandemie wird uns nur allzu bewusst vor Augen geführt, wie gut es ist, bewährte und erprobte Impfstoffe gegen gefährliche Erreger zu haben." Seit Kurzem gibt es auch eine Smartphone-App, die einen über die lokale Zeckengefahr informiert – gerade für ortsfremde Urlauber ist dies besonders praktisch.
Wo genau in Deutschland sind FSME-Risikogebiete?
Laut ARD-Deutschlandtrend wollen diesmal doppelt so viele Deutsche Urlaub im Inland machen wie im Ausland. 51 Prozent gaben an, den Sommerurlaub zu Hause zu verbringen. Ein gutes Drittel (35 Prozent) plante eine Urlaubsreise innerhalb Deutschlands. Nur 17 Prozent wollen ins europäische Ausland reisen. In den beliebtesten Urlaubsländer der Deutschen im Mittelmeerraum ist FSME kein Thema – im Inland hingegen schon.
Deutschland ist Schwerpunkt eines halbkreisförmigen FSME-Gebiets in Mitteleuropa, das sich im Uhrzeigersinn von Baden-Württemberg und Bayern über Tschechien und Ungarn bis an die slowenische Adria erstreckt. Laut Robert-Koch-Institut existiert im Inland ein Risiko für eine FSME-Infektion vor allem einem zusammenhängenden Gebiet, das aus den Gesamt-Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg besteht, aus Südhessen, dem südöstlichen Thüringen und Teilen des Freistaats Sachsen. Einzelne Inseln von Risikogebieten befinden sich zudem in Mittelhessen, im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen.
2020: Drei neue FSME-Risikogebiete innerhalb Deutschlands
Weil FSME eine meldepflichtige Krankheit ist, weiß man, dass sich Zecken mit diesem Erreger inzwischen auch Richtung Norden ausbreiten. Laut RKI kamen im laufenden Jahr drei neue Risikogebiete hinzu, die alle an bekannte Risikogebiete grenzen: zwei Kreise in Sachsen (Stadtkreis Dresden, Landkreis Meißen) sowie ein Kreis in Thüringen (Landkreis Schmalkalden-Meiningen). Somit sind aktuell 164 Kreise im Bundesgebiet als FSME-Risikogebiete definiert.
Waldränder, Wiesen, Bachufer: Wo Zecken überall lauern
Zecken können praktisch überall vorkommen. Als Lebensraum bevorzugt die Zecke schattige, aber mild temperierte und feuchte Orte in der Natur. Ideale Bedingungen findet sie an Waldesrändern, Lichtungen, Wiesen, Uferzonen von Bachläufen und Seen. Nach einer längeren Wanderung oder dem Pilzesuchen im Wald, nach einem Picknick oder einer Abenteuertour mit Kindern auf Feldern, Wiesen oder am Fluss oder See, sollte man den Körper deshalb immer auf Zecken hin absuchen.
Corona-Sommer 2020: Zeckenstich-Gefahr besonders hoch
Ausgerechnet im Corona-Sommer 2020 ist aber auch die Gefahr eines Zeckenstichs besonders groß, warnt das Deutsche Rote Kreuz (DRK): weil der Klimawandel die Lebensbedingungen für der einheimischen Zecken grundsätzlich verbessert; und weil es aufgrund des praktisch frostfreien Winters noch mehr Zecken gibt als in den Jahren zuvor. Die Gefahr eines Zeckenstichs ist laut DKR also sehr hoch – und die Zeckensaison dauert noch bis Oktober.
FSME: Impfbereitschaft in der Bevölkerung steigt
Die Bereitschaft in der Bevölkerung, sich gegen FSME impfen zu lassen, hat laut Apothekerverbänden in den vergangenen Jahren in Deutschland zugenommen. So wurden 2017 nur 3,4 Millionen Impfdosen gegen FSME über öffentliche Apotheken abgegeben, 2018 dagegen schon 4,1 Millionen. Mit 4,9 Millionen FSME-Impfdosen im Jahr 2019 konnte dieser Wert nochmals um rund 20 Prozent erhöht werden – zum zweiten Mal in Folge. Das ergebe sich aus Berechnungen des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts (DAPI) auf Basis der Abrechnungen der gesetzlichen Krankenkassen.
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