Wirtschaftskrise senkt Geburtenraten in Europa
Eigentlich waren die Geburtenraten in Europa gerade wieder am Steigen. Doch dann kam 2008 die Finanzkrise. In einigen Ländern hat die Krise die Aufwärtsbewegung lediglich angehalten, in anderen nahm die Geburtenrate ab. Dies geht aus einer Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) hervor, die jetzt im Open-Access-Journal „Demographic Research“ veröffentlicht wurde.
Die Kinderzahl pro Frau blieb den Wissenschaftlern zufolge umso stärker zurück, je höher die Arbeitslosenquote anstieg. Insbesondere junge Europäer unter 25 Jahren sahen von Kindern angesichts steigender Arbeitslosenquoten vermehrt ab. Ihre Geburtenraten fielen vor allem für das erste Kind zurück, sie gründeten also zunächst seltener eine Familie.
Geburtenrate sinkt mit Anstieg der Arbeitslosigkeit
Häufig sei die Familiengründung aber möglicherweise nur aufgeschoben, vermutet Michaela Kreyenfeld, Demografin am MPIDR. „Junge Menschen tun sich aber auch leichter, die Familiengründung zu überdenken, als ältere, die den biologischen Grenzen der Fruchtbarkeit schon näher sind“, so Kreyenfeld. Tatsächlich änderte sich die Rate der ersten Kinder bei den über 40-Jährigen nicht durch steigende Arbeitslosenquoten.
Einen spürbaren Einbruch der Geburtenraten gab es laut Demografieforscher beispielsweise in Spanien, Ungarn, Irland, Kroatien oder Lettland. Einen besonders deutlichen Rückgang der Geburten erlebte Spanien, wo die Kinderzahl pro Frau ausgehend von 1,24 zu Beginn des Jahrtausends jedes Jahr gewachsen war, bis sie 2008 einen Wert von 1,47 erreicht hatte. 2009 sackte sie auf 1,40 ab, nachdem im Jahr zuvor die Arbeitslosenquote sprunghaft angestiegen war (von 8,3 Prozent 2008 auf 11,3 Prozent 2009), und sank bis 2011 weiter auf 1,36.
Kaum Effekte in deutschsprachigen Ländern
Lediglich zum Halt kamen die wachsenden Raten etwa in den Ländern Tschechien und Polen, in Großbritannien oder Italien. In einigen Nationen zeigte sich nur ein schwacher oder gar kein Effekt, wie etwa in Russland oder Litauen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ergab die Analyse keine signifikanten Einflüsse. Dort stieg die Arbeitslosenquote in den letzten Jahren allerdings auch nicht oder nur wenig an. In Deutschland sank sie sogar. Die Forscher untersuchten Daten für die Jahre 2001 bis 2010 (einige Länder: 2011). Dass negative Effekte der Krise auf die Geburtenrate weiter anhalten, halten die Rostocker Forscher für nicht ausgeschlossen.
Ob und wie wirtschaftliche Bedingungen das Geburtenverhalten) beeinflussen, ist eine der großen offenen Fragen der demografischen Forschung.
Die MPIDR-Studie belegt für das heutige Europa, dass die Höhe der Arbeitslosigkeit im eigenen Land sich durchaus auf die Fertilität auswirkt. Allerdings ist der Zusammenhang unterschiedlich stark, da weitere Faktoren, wie etwa die Familienpolitik oder die Sicherheit der Arbeitsplätze, in jedem Land anders sind. So senkt Arbeitslosigkeit die Geburtenraten am stärksten in Südeuropa. „Darin spiegelt sich wider, dass die Jobsituation zu Beginn des Arbeitslebens in den südlichen Ländern besonders unsicher ist“, sagt Demografin Kreyenfeld.
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