Wiedereingliederung nach ZNS-Erkrankungen verbessern
Menschen, die an einer Erkrankung des Zentralen Nervensystems leiden, haben bei der beruflichen Wiedereingliederung oft besondere Schwierigkeiten. Denn viele der Krankheitsfolgen sind zunächst unauffällig und treten erst bei Belastung im Alltag zum Vorschein. Der Spitzenverband ZNS (SpiZ) fordert daher, Betroffene besser zu betreuen und individueller auf ihre speziellen Bedürfnisse einzugehen.
Eine Wiedereingliederung nach ZNS-Erkrankungen braucht Zeit und sollte ohne Druck, aber in fachkundiger Begleitung vor Ort erfolgen, so der Reha-Experte Paul Reuther vom SpiZ auf der 50. wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP). Es sei wichtig, so Reuther, dass Patienten mit leichten oder mittelschweren neuropsychologischen Defiziten noch während der Rehabilitation ihre Arbeitsperspektive ins Auge fassten und früh mit einer Wiedereingliederung begännen.
Leichte neurologische Defizite zeigen sich oft erst unter Belastung
Problematisch sind laut Reuther sogenannte neuropsychologische Defizite, die kaum messbar sind, sich aber unter beruflicher oder sonstiger Belastung zeigten. So kann sich beispielsweise bei Patienten mit Multipler Sklerose erst während der Wiedereingliederung zeigen, dass sie schneller müde werden oder sich schlechter konzentrieren können. Ähnliche Defizite können auch nach einem Schlaganfall, Schädelhirntrauma oder nach einer Minderversorgung des Gehirns nach längerer künstlicher Beatmung oder Herzoperationen auftreten. Häufig sind kognitive Störungen und Fatigue dann auch der Grund für eine Frühberentung – dabei muss das oft nicht sein.
So können beispielsweise Coachingprogramme dabei helfen, wieder zurück in den Beruf zu finden. Ein häufiges Problem bei ZNS-Erkrankung ist auch, dass die Betroffenen, aber auch ihre Familien und Arbeitgeber die Belastbarkeit nicht richtig einschätzen können. Gerade dann ist es wichtig, dass Patient, Arbeitgeber und Arzt zusammenarbeiten und herausfinden, wie belastbar der Patient zum jeweiligen Zeitpunkt ist und welche Hilfen er noch benötigt. Die auch „Hamburger Modell“ genannte stufenweise Wiedereingliederung sollte daher um eine therapeutische Begleitleistung ergänzt werden, so die Forderung des SpiZ. Solche Begleitleistungen könnten Beratung, Koordination, Supervision oder Coaching umfassen.
Wiedereingliederung ohne Zeitdruck
Eine neurokundige Begleitung der Belastungserprobung am eigenen Arbeitsplatz sei bisher im nachsorgenden Leistungsangebot der GKV nicht und bei der Gesetzlichen Rentenversicherung nur in geringem Umfang enthalten, so Reuther. Kostenträger und Medizinischer Dienst der Krankenkassen sollten zudem während der stufenweisen Wiedereingliederung weniger Zeit- und Erfolgsdruck auf den Patienten ausüben. Erfolgreiche Anpassungsarbeit bei neuropsychiatrischen Gesundheitsstörungen benötige Zeit, erklären die Experten.
Nur die behandelnden Ärzte selbst sollten die stufenweise Steigerung der Arbeitszeit oder der Arbeitsinhalte vorgeben und sich dabei eng mit Arbeitgeber, Arbeitsmediziner oder Job-Coach abstimmen. Diese Versorgungsleistungen müssen laut dem SPiZ klar definiert werden und über die Gebührenordnungen der jeweiligen Beteiligten sicher finanziert sein.
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