Wie sinnvoll sind Personaluntergrenzen in Krankenhäusern?
In vielen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen droht der Pflegenotstand. Schon heute fehlt es nach Expertenmeinung an ausreichendem und vor allem qualifizierten Personal. Gesetzliche Personaluntergrenzen sollen dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Doch bis diese greifen, wird noch einige Zeit vergehen. Zudem ist umstritten, ob solche Vorgaben wirklich das richtige Instrument sind, um dem Personalnotstand zu begegnen. Auch auf dem 11. Nationalen Qualitätskongress Gesundheit, der am 27. und 28. November 2017 vom Verein Gesundheitsstadt Berlin veranstaltet wurde, diskutierten die Teilnehmer über Chancen und Schwierigkeiten von Personaluntergrenzen.
Bisher keine Sanktionierungen
Laut Dr. Ruth Hecker, Leiterin des Qualitätsmanagements am Universitätsklinikum Essen, fehlt es in vielen Krankenhäusern an Personal. Dadurch steige der Arbeitsdruck, die Zufriedenheit sinke, der Krankenstand nehme zu und letztlich minimiere das auch die Patientensicherheit. Personaluntergrenzen zur Behebung des Problems hält Hecker daher prinzipiell für sinnvoll. Doch noch fehlten detaillierte Vorgaben, zeitliche Befristungen und die Umsetzung von Sanktionierungen, so Hecker, die auch Stellvertretende Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) ist.
Zwar wurden Personaluntergrenzen in der Pflege für das Jahr 2019 beschlossen, doch auf konkrete Zahlen hat sich der G-BA bisher nicht festgelegt. Die erste und einzige konkrete Untergrenze, die bisher existiert, ist die für die Versorgung von Frühgeborenen. Allerdings seien auch hier Konsequenzen einer Unterschreitung in naher Zukunft nicht zu erwarten, merkten die Teilnehmer des Qualitätskongresses an. Auch sehen sich offenbar viele Kliniken kaum in der Lage, die Grenzen einzuhalten. Rund 80 Prozent der Häuser geben in Umfragen an, die vom G-BA festgelegten Personalvorgaben nicht erfüllen zu können.
Personaluntergrenzen nur Teil eines Maßnahmenbündels
Das Thema Personaluntergrenzen macht auch deutlich, dass es nicht nur um die Einführung eines Sanktionierungssystems gehen könne. Um das Personalproblem beispielsweise in der Pflege zu lösen, müsse vor allem der Beruf attraktiver werden und die Arbeit besser entlohnt werden, wie Judith Heepe, Pflegedirektorin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, auf dem Kongress erklärte.
Die üblichen Reaktionen auf das Problem seien Forderungen nach einer besseren Bezahlung, die Einführung von Programmen zum Gesundheitsmanagement sowie eine bessere Beratung und Unterstützung von Arbeitnehmern, wie einige Kongressteilnehmer erklärten. Dass noch viel weitreichendere Maßnahmen sinnvoll sein können, zeigte Heepe in ihrem Vortrag. Wichtig sei es nicht nur, neues Personal zu gewinnen, sondern auch, die schon vorhandenen Pflegekräfte zu behalten. Heepe und ihr Team haben zur Erreichung beider Ziele ein umfangreiches Programm umgesetzt. Dabei werden den Angestellten unter anderem variable Dienstzeiten, gehaltsrelevante Karriereoptionen und Unterstützung bei der Wohnungsvermittlung angeboten. Zudem wurde das Einstellungsverfahren signifikant beschleunigt, die Öffentlichkeitsarbeit (vor allem über die sozialen Netzwerke) massiv verstärkt sowie ein Stufenprogramm in der Ausbildung eingeführt, das die Hürden eines Einstiegs in den Beruf verringern soll.
Personalmangel wichtiger Risikofaktor bei der Patientensicherheit
Auch ausländische Fachpflegekräfte sollen verstärkt zum Einsatz kommen, so Heepe. Zudem wurden umfangreiche Analyse-Tools eingerichtet, um zu untersuchen, warum Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder auch dort bleiben. Für Pflegekräfte, die bereits bei der Charité arbeiten, wurden zum Teil recht einfache Maßnahmen wie z.B. Car-to-go-Gutscheine an den Feiertagen eingerichtet, um die Arbeitssituation zu erleichtern.
Neben gesetzlichen Personaluntergrenzen können also verschiedene Maßnahmen dazu beitragen, das Personalproblem in vielen Krankenhäusern zu reduzieren. Wie wichtig das ist, betonte auch Dr. Susanne Johna, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer. „Ausreichendes Personal ist DAS entscheidende Kriterium für Patientensicherheit“, so Johna. Ihren Angaben zufolge zeigen Studien klare Korrelationen zwischen personeller Unterbesetzung und der Häufigkeit nosokomialer Infektionen, aber auch der Patientensterblichkeit.
Foto: Gesundheitsstadt Berlin