Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Wie sinnvoll sind Personaluntergrenzen in Krankenhäusern?

Sonntag, 3. Dezember 2017 – Autor: Anne Volkmann
Nach Meinung vieler Experten verzeichnen schon heute viele Krankenhäuser eine Unterbesetzung in der Pflege – und aller Voraussicht nach wird dieses Problem noch zunehmen. Wie dem am besten zu begegnen ist, darüber wurde beim 11. Nationalen Qualitätskongresses Gesundheit in Berlin lebhaft diskutiert.
Nationaler Qualitätskongress Gesundheit 2017

Dr. Ruth Hecker beim 11. Nationalen Qualitätskongress Gesundheit

In vielen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen droht der Pflegenotstand. Schon heute fehlt es nach Expertenmeinung an ausreichendem und vor allem qualifizierten Personal. Gesetzliche Personaluntergrenzen sollen dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Doch bis diese greifen, wird noch einige Zeit vergehen. Zudem ist umstritten, ob solche Vorgaben wirklich das richtige Instrument sind, um dem Personalnotstand zu begegnen. Auch auf dem 11. Nationalen Qualitätskongress Gesundheit, der am 27. und 28. November 2017 vom Verein Gesundheitsstadt Berlin veranstaltet wurde, diskutierten die Teilnehmer über Chancen und Schwierigkeiten von Personaluntergrenzen.

 

Bisher keine Sanktionierungen

Laut Dr. Ruth Hecker, Leiterin des Qualitätsmanagements am Universitätsklinikum Essen, fehlt es in vielen Krankenhäusern an Personal. Dadurch steige der Arbeitsdruck, die Zufriedenheit sinke, der Krankenstand nehme zu und letztlich minimiere das auch die Patientensicherheit. Personaluntergrenzen zur Behebung des Problems hält Hecker daher prinzipiell für sinnvoll. Doch noch fehlten detaillierte Vorgaben, zeitliche Befristungen und die Umsetzung von Sanktionierungen, so Hecker, die auch Stellvertretende Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) ist.

Zwar wurden Personaluntergrenzen in der Pflege für das Jahr 2019 beschlossen, doch auf konkrete Zahlen hat sich der G-BA bisher nicht festgelegt. Die erste und einzige konkrete Untergrenze, die bisher existiert, ist die für die Versorgung von Frühgeborenen. Allerdings seien auch hier Konsequenzen einer Unterschreitung in naher Zukunft nicht zu erwarten, merkten die Teilnehmer des Qualitätskongresses an. Auch sehen sich offenbar viele Kliniken kaum in der Lage, die Grenzen einzuhalten. Rund 80 Prozent der Häuser geben in Umfragen an, die vom G-BA festgelegten Personalvorgaben nicht erfüllen zu können.

Personaluntergrenzen nur Teil eines Maßnahmenbündels

Das Thema Personaluntergrenzen macht auch deutlich, dass es nicht nur um die Einführung eines Sanktionierungssystems gehen könne. Um das Personalproblem beispielsweise in der Pflege zu lösen, müsse vor allem der Beruf attraktiver werden und die Arbeit besser entlohnt werden, wie Judith Heepe, Pflegedirektorin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, auf dem Kongress erklärte.

Die üblichen Reaktionen auf das Problem seien Forderungen nach einer besseren Bezahlung, die Einführung von Programmen zum Gesundheitsmanagement sowie eine bessere Beratung und Unterstützung von Arbeitnehmern, wie einige Kongressteilnehmer erklärten. Dass noch viel weitreichendere Maßnahmen sinnvoll sein können, zeigte Heepe in ihrem Vortrag. Wichtig sei es nicht nur, neues Personal zu gewinnen, sondern auch, die schon vorhandenen Pflegekräfte zu behalten. Heepe und ihr Team haben zur Erreichung beider Ziele ein umfangreiches Programm umgesetzt. Dabei werden den Angestellten unter anderem variable Dienstzeiten, gehaltsrelevante Karriereoptionen und Unterstützung bei der Wohnungsvermittlung angeboten. Zudem wurde das Einstellungsverfahren signifikant beschleunigt, die Öffentlichkeitsarbeit (vor allem über die sozialen Netzwerke) massiv verstärkt sowie ein Stufenprogramm in der Ausbildung eingeführt, das die Hürden eines Einstiegs in den Beruf verringern soll.

Personalmangel wichtiger Risikofaktor bei der Patientensicherheit

Auch ausländische Fachpflegekräfte sollen verstärkt zum Einsatz kommen, so Heepe. Zudem wurden umfangreiche Analyse-Tools eingerichtet, um zu untersuchen, warum Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder auch dort bleiben. Für Pflegekräfte, die bereits bei der Charité arbeiten, wurden zum Teil recht einfache Maßnahmen wie z.B. Car-to-go-Gutscheine an den Feiertagen eingerichtet, um die Arbeitssituation zu erleichtern.

Neben gesetzlichen Personaluntergrenzen können also verschiedene Maßnahmen dazu beitragen, das Personalproblem in vielen Krankenhäusern zu reduzieren. Wie wichtig das ist, betonte auch Dr. Susanne Johna, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer. „Ausreichendes Personal ist DAS entscheidende Kriterium für Patientensicherheit“, so Johna. Ihren Angaben zufolge zeigen Studien klare Korrelationen zwischen personeller Unterbesetzung und der Häufigkeit nosokomialer Infektionen, aber auch der Patientensterblichkeit.

Foto: Gesundheitsstadt Berlin

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Pflege

Weitere Nachrichten zum Thema Pflegenotstand

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin