Wie Schlaf eine Posttraumatische Belastungsstörung beeinflusst

Schlafstörungen können ein Trauma verfestigen - und umgekehrt führen traumatische Erlebnisse oft zu Probleme mit dem Schlaf
Extreme Gewalt, Unfälle, Missbrauch, Kriegserlebnisse oder Naturkatastrophen – all das kann zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung führen. Diese entsteht, wenn es den Betroffenen nicht gelingt, das Erlebte angemessen zu verarbeiten und in ihrem Gedächtnis als Vergangenheit abzuspeichern. So kann es zu Flashbacks, dem ständigen Wiedererleben des Traumas, aber auch zu Erinnerungslücken kommen. Trauma-Forscherinnen der Universität des Saarlandes haben nun gezeigt, dass auch Schlafprobleme einen entscheidenden Einfluss darauf haben können, ob Menschen nach schwer belastenden Erlebnissen eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln.
PTBS-Patienten leiden häufig an Schlafstörungen
In ihrer Studie fand das Team um Psychologie-Professorin und Trauma-Therapeutin Tanja Michael von Universität des Saarlandes Hinweise, dass ein traumatisches Ereignis Schlafstörungen hervorrufen kann und dass die Schlafqualität wiederum Auswirkungen darauf hat, dass sich PTBS-Symptome entwickeln. „Siebzig bis über neunzig Prozent der Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen leiden an Ein- und Durchschlafstörungen, das ist aus früheren Studien bekannt“, erklärt Roxanne Sopp, promovierte Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team von Tanja Michael. Der Schlaf spiele generell eine entscheidende Rolle bei der Gedächtnisbildung. „Insbesondere beim Abspeichern ins Langzeitgedächtnis und für das Konsolidieren des Gedächtnisses hat der Schlaf ausschlaggebende Funktion“, erläutert Sopp.
Um das Zusammenspiel von Trauma, Schlafstörungen und gedächtnisbezogenen Symptomen der posttraumatischen Belastungsstörung näher zu beleuchten, konfrontierten die Forscherinnen Probanden mit „traumatischen“ Filminhalten. In ihrer experimentellen Studie untersuchten sie, wie sich diese Filminhalte, die eine Art „kleines“, zeitlich begrenztes Trauma auslösen, bei den Testpersonen auf die Schlafqualität und auf spontane, belastende Erinnerungen auswirken.
32 Probanden, allesamt robuste Schläferinnen und Schläfer ohne Schlafschwierigkeiten, verbrachten eine Nacht im Schlaflabor der Saar-Uni, beobachtet von den Forscherinnen, die mit Gehirnstrom-Messungen (EEG) über ihren Schlaf wachten. Eine Gruppe sah vor dem Zubettgehen den Trauma-Film, die Kontrollgruppe einen neutralen, nicht belastenden Film. „Die Schlafdauer war in der Trauma-Gruppe reduziert, der Non-Rem-Schlaf signifikant reduziert und die Wachphasen in der Nacht waren länger“, fasst Roxanne Sopp zusammen.
Schlaf kann dazu beitragen, Erinnerungen besser zu verarbeiten
Die Probanden der Trauma-Gruppe führten im Anschluss mehrere Tage ein Tagebuch und dokumentierten, wie oft sie an Szenen des Films dachten und wie belastend sie dies empfanden. Außerdem beantworteten sie Fragebögen, in denen typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung wie Flashbacks abgefragt wurden. Die Ergebnisse werteten die Forscherinnen zusammen mit den Gehirnstrom-Messungen aus.
Dabei fanden sie deutliche Hinweise auf einen Zusammenhang: „Mehr Schlaf, weniger Symptome“, bringt es Roxanne Sopp auf den Punkt. „Je mehr REM-Schlafphasen die Probanden hatten, desto weniger Flashbacks hatten sie nach Schlüsselreizen und sie empfanden diese auch als weniger belastend. Das spricht für einen Zusammenhang von Schlaf und PTBS-Symptomen.“
Eine direkte Kausalität lässt sich durch diesen Versuchsaufbau zwar schwer beweisen. Allerdings konnte bereits eine frühere Studie zeigen, dass Schlaf nach einem traumatischen Ereignis tatsächlich dazu beiträgt, dies besser zu verarbeiten. In einem Experiment hielten Forscher des Psychologischen Instituts der Universität Zürich und der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich Probanden, denen zuvor ein traumatisches Video gezeigt wurde, entweder wach und ließen sie schlafen. Die Studienautoren konnten zeigen, dass diejenigen, die schlafen durften, tatsächlich weniger PTBS-Symptome aufwiesen als die anderen. Die Forscher vermuteten daher, dass dem Schlaf nach traumatischen Erlebnissen eine schützende Wirkung zukommt.
Hoffnung auf neue Therapie-Optionen
Die Autorinnen der aktuellen Studie hoffen nun, dass ihre Erkenntnisse in die psychotherapeutische Behandlung von Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen einfließen werden. Ihr Ziel ist es insbesondere, die Konfrontationstherapie, eine der erfolgreichsten Trauma-Behandlungsmethoden, weiter zu verbessern. Im Rahmen solcher Therapien wollen die Forscherinnen gezielt Schlaftherapien einsetzen, um die Gedächtnisbildung zu unterstützen.
„Die Störung der Gedächtnisprozesse, die dafür verantwortlich ist, dass das traumatische Ereignis für die Betroffenen ständig wieder zur Gegenwart wird, ist zentraler Ansatzpunkt der Konfrontationstherapie. Zugleich erschwert diese Störung aber auch den Therapieprozess und damit die Wirksamkeit der Therapie. Hier setzen wir mit unserer Forschung an“, erklärt Roxanne Sopp. „Um perspektivisch die Wirksamkeit der Konfrontationstherapie zu verbessern, untersuchen wir, ob der Schlaf Gedächtnisprozesse verstärkt, die während erfolgreicher Trauma-Therapien stattfinden.“
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