Wie Nervenkrankheit ALS und körperliche Anstrengung zusammenhängen

Körperliche Schwerarbeit verdoppelt Risiko, an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) zu erkranken – Foto: © Adobe Stock/ bannafarsai
Die Amyotrophe Lateralsklerose – kurz ALS – ist eine unheilbare Nervenerkrankung. Durch den Verlust von so genannten Motoneuronen können sich Betroffene mit der Zeit immer weniger bewegen und sprechen. Am Ende sind sie im eigenen Körper gefangen. Die relativ seltene Erkrankung führt etwa zwei bis fünf Jahre nach der Diagnose zum Tod. Der 2018 verstorbene Astrophysiker Stephen Hawking war eine absolute Ausnahme: Er lebte fast fünfzig Jahre mit der Nervenerkrankung.
Bereits seit den 1960-er Jahren wird schwere körperliche Arbeit als ALS-Risikofaktor diskutiert. Auslöser waren die ALS-Erkrankungen des prominenten US-Baseballspielers Lou Gehrig und einiger italienischer Fußballspieler. Die Studienlage dazu ist bisher aber widersprüchlich.
Körperliche Hochleistungen verdoppelt ALS-Risiko
Nun ist eine neue Studie erschienen, die schwere körperliche Arbeit tatsächlich als Risikofaktor für ALS identifiziert. Basierend auf dem ALS-Register Schwaben und Interviews mit ALS-Patienten und gesunden Personen einer Kontrollgruppe fanden die Forscher heraus, dass Menschen, die schwere körperliche Arbeit verrichten doppelt so häufig an ALS erkranken wie etwa Büroangestellte.
Ferner ergab die Analyse der Daten, dass es bei ALS-Patienten rund fünf Jahre vor der Diagnose zu einem ein signifikanten Aktivitäts-Abfall kommt. Die Abnahme der körperlichen Betätigung werten die Forschenden als ALS-Frühsymptom. Sie vermuten, dass bereits vor Symptombeginn subklinische Verschlechterungen oder krankheitsbezogene Veränderungen des Stoffwechsels sowie des Lebensstils eintreten.
Neues Frühsymptom der ALS entdeckt
„Mit dem Aktivitäts-Abfall etwa fünf Jahre vor der Diagnose haben wir vor allem erstmals ein stoffwechselassoziiertes Frühsymptom der ALS entdeckt. Außerdem konnten wir zeigen, dass körperliche Aktivität auch nach Symptombeginn die Überlebensdauer beeinflusst “, betont Erstautorin Angela Rosenbohm, Oberärztin an der Ulmer Universitätsklinik für Neurologie.
Das Team um Rosenbaum hatte für die aktuelle Studie 393 ALS-Erkrankte sowie 791 gesunde Kontrollpersonen in standardisierten Interviews über Dauer und Art ihrer Aktivitäten in verschiedenen Lebensphasen befragt. Dabei wurden die Studienteilnehmer gebeten, physische Belastungen bei der Arbeit und in der Freizeit einzuteilen: Zum einen in „schweißtreibende Aktivitäten“ wie intensiven Sport oder die Arbeit eines Landwirts, Bauarbeiters oder Steinmetz. Und zum anderen in leichte Anstrengungen wie Bürotätigkeiten oder Radfahren. Aus diesen Angaben berechneten die Forschenden den „MET-Wert“, also die Energie-Aufwendung bezogen auf Stunden pro Woche (1 MET= Sauerstoffverbrauch von 3,5 ml/kg/min).
Körperliche Aktivität beeinflusst späteren Krankheitsverlauf
Nach den Daten hatten inaktive ALS-Erkrankte mit durchschnittlich 15,4 Monaten die kürzeste Überlebensspanne. Aber auch die körperlich agilste Gruppe verstarb bereits nach durchschnittlich 19,3 Monaten. Bei einem moderaten Betätigungslevel von 10,5 MET/h pro Woche – das entspricht etwa zwei Stunden Fahrrad fahren in diesem Zeitraum – war die mittlere Überlebensdauer mit 29,8 Monaten am höchsten.
Die Studie “Life Course of Physical Activity and Risk and Prognosis of Amyotrophic Lateral Sclerosis in a German ALS Registry”, erschien im Oktober 2021 im Fachmagazin „Neurology“.